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durch
Amalgam
Leitsymptom: Kopfschmerzen
Zahnärzte werden seit vielen Jahren
mit den Beschwerden von Patienten mit Arnalgamfüllwigen konfrontiert. Da die Quecksilberwerte
nur in den ersten Tagen nach Einsetzen der
Füllungen mit 5 — 40 gei im Urin erhöht waren und dann wiederdeutlich sanken, dachte man dabei lediglich an frberempfindlichkeitsreaktionen,
Eine
Reihe von Patienten gab jedoch in der Anamneseerhebung sehr exakt an,
daß Monate bis Jahre nach Einsetzen mehrerer Amalgamfüllungen eine Leidensgeschichte
begann, die nach Einsetzen weiterer Füllungen oder nach spätestens 10 Jahren
deutlich schlimmes wurde. —
Dies bezieht sich nicht nur auf Patienten mit zusätzlichen Goldoder
anderen Metallprothesen, bei denen man
schon allein aufgrund der elektrochemischen Reaktionen mit iinangenehmen
lokalen Reaktionen und mit einer erhöhten Metallresorption rechnen muß. Auch
nach Entfernen der Amalgamfülltuigen besserten sich die
Quecksilbervergiftung
durch Arnalk-un M. Daunderer Seite
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Amalgam
Amalgame entstehen durch Vermischen etwa gleicher Gewichtsanteile von Legierungspulver
und Quecksilber.
Zusammensetzung des Legierungspulvers:
Ag:
min. 40%O Sn: max. 32 Cu: max. 30 % Hg:
max. 3% Zn:
max. 2% (Angaben in Masseprozent).
Die
erhärteten Amalgame bestehen vorwiegend aus den Ausgangsphasen Ag1Sn, Cu/Sn und häufig
Cu/Ag Eutektikum sowie den
Reaktionsphasen Agillgi
und Cu5Sn6 und keinem oder nur geringstem Anteil
der Sn-llg-Phase.
Sowohl
beim Füllen als auch beim Entfernen der
Amalgamfüllungen kommt es zur verstärkten Freisetzung und Organspeicherung aller Metalle und damit
zur chronischen Vergiftung.
Leitsymptome
Kopfschmerzen
(rnigräneartig) – am häufigsten (85 %)
Schlafstörungen Gedächtnisstörungen
Nervosität Tremor • Depression -Gastritis - Colitis • Infektanfälligkeit -
Allergie.
Besonders
stark betroffen sind nervöse Patienten,
die auf Nervengifte besonders stark reagieren und Patienten mit Neigung
zu vasoaktiven Kopfschmerzen.
Im
Gegensatz zu akuten Quecksilbervergiftungen
tritt in den ersten 10 Jahren keine verlängerte Nervenleitgeschwindigkeit
und keine Niereninsuffizienz zutage. Über ein möglicherweise erhöhtes
Krebsrisiko, embryotoxische und teratogene Effekte gibt es keine Untersuchungen.
Differential
diagnostisch muß eine andere Quecksilbervergiftungsquelle eruiert werden, wie
z.B. Meeresfrüchte-Konsum in extremem Maß
(Thunfisch, Krabben, Muscheln).
Wirkungscharakter
Absorbiertes
Quecksilber wird hauptsächlich an Sulfhydrylgruppen von Proteinen gebunden. Die Aufnahme ins Gehirn
geschieht zwar langsamer als ins übrige
Gewebe, erreicht jedoch hier die höchsten Werte und hat im Gegensatz
zur. biologischen Halbwertzeit von 70 Tagen hier eine Halbwertzeit von 18
Jahren. Nur ein geringer Teil des resorbierten Quecksilbers wird über Niere und Dann ausgeschieden, der Rest geht in
die Depots, von denen das ZNS klinisch besonders relevant
ist.
Selbst nach Entfernen der Amalgamfüllungen
werden sich daher ohne Mobilisation die vorhandenen Vergiftungssymptome nur
außerordentlich langsam bessern. In behandelten Fällen
M. Daunderer Quecksilbervergiftung
durch Amalgam for= 25, 1989 Seite
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Wirkung
von DMPS
DMPS senkt
'im Gegensatz zu allen früheren
Komplexbildern die Konzentration des im Gehirn angereicherten Quecksilbers, auch wenn die Ausgangs-Blut- oder Urinwerte im Normbereich liegen (Norm bis 4 pg/1 im Urin), Die Wirkung besteht nur extrazellulär, daher isteine Entgiftung nur auf dem Wege der
Diffusion möglich.
Wenn nach der Gabe
von DMPS (1 Amp 250 g i.v.) der Wert
im Urin auf über 50 iig/Iansteigt,
ist dies ein sicherer Beweis für die
Anreicherung in den Organen wie im
Gehirn. Die Elimination kann
fraktioniert — z.B. alle 4 Wochen —
erfolgen. Die Therapie kann auch
viele Jahre nach Entfernen des Amalgams
nötig sein. Nach wiederhol‑
ter DMPS-Gahe ist die
Substitution von Zink-Aspartat und
evtl. Eisen nötig.
Nachweis
Mobilisationstext
·
Spotanurin asservieren für Ilg--Untersuchung
·
4 mg/kg KG DMPS i.v. (Dimaval2) (Kinder 10 mg/kg KG als Kapsel oral)
·
ca. 20 ml der nächsten Urinproduktion asservieren, auf Hg, Cu und Su untersuchen.
Wiederholung ist empfohlen:
·
bei Werten >100 pgil vierwöchentlich
·
bei Werten >50 pg/1 vierteljährlich
· sonst nach 6 Monaten
·
bei Werten >1000141 wird empfohlen, wöchentlich eine Kapsel einnehmen zu
lassen.
Toxizität
Gefährlicher als
enge, tiefe Füllungen sind
großflächige occlusale Defektdekkungen.
Eine große Arnalgamfüllung führt pro
Jahr Verweildauer bei Mobilisation
zu Werten von 40 1.1g/1 im Urin. Bei
über 50 j.tg/l nach Mobilisation treten
erfahrungsgemäß neurologische Störungen
wie Kopfschmerzen und Neurasthenie auf
Über 10 Füllungen (---> bis 2565 14/1 Hg nach DMPS) führten in der Regel zu quälenden
Beschwerden.
Umwelttoxikologie
Mindestens 13 % des Quecksilbergehaltes im Abwasser stammt aus Zahnarztpraxen (Berlin). 1100 Zalinarztpraxen in Hamburg setzen jährlich 0,4 1 Quecksilber in die Abwässer frei_
Zusammenfassung
Im Gegensatz zu einer nicht aussagekräftigen Spontanbestimmung im Blut oder Urin,
die stets unauffällig ausfällt, reißt
man je nach Anzahl, Oberfläche und
Verweildauer der Amalgamfüllungen die
chronische Quecksilberspeicherung
nach einer einmaligen Mobilisation
mit DMPS. Es wurden Werte bis zu 2565
pg/1 im Urin gefunden. Bei einer Urinkonzentration
nach Mobilisation von über 50 pg/lkönnen
typische neue‑
Quecksilbervergiftung durch Amalgam
logische
Beschwerden auftreten, von denen
migräneartige Kopfschmerzen die häufigsten
sind. Die Beschwerden sind durch
wiederholte Antidotgaben im Intervall
zum Verschwinden zu bringen. Die
Kurilcankassen zahlen nach Messung
der Giftkonzentration im Speichel
durch die Mobilisation und entsprechenden
Vergiftungssymptomen den Austausch in
Goldinlays . Da Quecksilber bei
Verarbeitung und Entsorgung ebenfalls
toxikologisch bedenklich ist, ist
eine Vermeidung wesentlich günstiger.
• Ausblick
Amalgame sollten
heute nicht mehr eingesetzt werden.
Bei einer größeren Anzahl älterer
Füllungen und Kopfschmerzen sowie
Nervosität sollte auch nach
Amalgarnentfernung noch ein DMPS
-Mobilisationstest durchgeführt und
evtl. eine anschließende Therapie angesetzt werden.
Anschrift
des Verfassers:
Dr. med. Max Daunderer, Internist
Weinstrasse II
Tel. 0891293232
8000 München 2