Guillain-Barré-Syndrom (GBS) nach 
Roxithromycin und Mercurius
solubilis
Anamnese
 Eine
35jährige Frau erhielt wegen eines fieberhaften Infekts der 
Nasennebenhöhlen das Antibiotikum Roxithromycin. Drei
Tage 
später entwickelte sie eine rasch fortschreitende Schwäche aller 
Extremitäten sowie des Versorgungsgebiets beider Äste des 
Nervus facialis. Sie wurde daraufhin akut auf die
Neurologische 
Abteilung eines Krankenhauses verlegt. Dort wurde ein GBS diagnostiziert. 
Nach anfänglich erfolgloser Behandlung mit Immunglobulinen
besserte sich das Befinden nach Durchführung einer 
Plasmapherese. Eine leichte Schwäche der Fazialisäste blieb allerdings 
bestehen. 
In der
Hoffnung bei vorhandenen Amalgamfüllungen auch die 
Restparese beseitigen zu können, wurde in der Folge
von anderer 
Seite mit einem homöopathischen Therapieansatz Mercurius
solubilis 
D4 zur Quecksilber ausscheidenden Behandlung verordnet. 
Innerhalb weniger Tage entwickelte sich ein zweiter Schub des 
GBS in der zuvor beschriebenen Ausprägung. Die gleiche 
Therapiestrategie besserte die akute Symptomatik auch bei der 
erneuten Erkrankung. Eine leichte Fazialisparese
blieb auch jetzt 
bestehen. Ein Jahr nach diesem Ereignis stellte sich die Patientin 
in der Sprechstunde vor. 
Befunde
Beidseitige
Fazialisparese im Bereich beider Mundwinkel, die 
links stärker als rechts ausgeprägt war. Kein Hinweis für sensible 
oder motorische Störungen im Extremitätenbereich.
Subjektiv 
wurde über leichte Reizbarkeit, Schwindelgefühl, ständige Erschöpfung, 
Nachlassen des Kurzzeitgedächtnis sowie Kopf-, 
Muskel- und Gelenkschmerzen geklagt. 
Im Rahmen der immunologischen Diagnostik wurden Autoantikörper 
vom IgG-Typ gegen Gangliosid
- M1 mit 156 EU/ml erhöht 
gefunden (Norm < 20 EU/ml). Kein Nachweis von Antikörpern 
gegen Myelin, Myelin
Basisches Protein (MBP) und antinukleären 
Antikörpern (ANA). Im Lymphozytentransformationstest (LTT) 
pathologisch erhöhter Stimulationsindex (SI) für Roxithromycin
mit 5,2 und anorganisches Quecksilber mit 4,2. Fraglicher Befund 
bei organischem Quecksilber mit 2,4 (SI < 2 = keine Sensibilisierung, 
2 - 3 fragliche Sensibilisierung, > 3 Sensibilisierung nachgewiesen). 
..... 101 umwelt·medizin·gesellschaft | 16 | 2/2003 
UMWELTMEDIZIN UND UMWELTANALYTIK 
Zwei Episoden eines 
Guillain-Barré-Syndrom (GBS) nach 
Roxithromycin und Mercurius
solubilis 
Kurt E. Müller
Bei dem Guillain-Barré-Syndrom (GBS) handelt es sich um eine Radikuloneuronitis und Neuronitis
mit aszendierender motorischer Lähmung, sowie Parästhesien und ziehenden
Schmerzen in den 
betroffenen Nervensegmenten, wobei auch die Hirnnerven betroffen sein können.
Tritt die 
Erkrankung nur an den Hirnnerven auf, spricht man von einem
Miller-Fisher-Syndrom. Besonders 
schwere Krankheitsverläufe mit Beteiligung der Atemmuskulatur und oftmals
tödlichem Verlauf 
werden als Landry-Paralyse oder auch als Landry-Kussmaul-Syndrom bezeichnet. 
Die Auslösung einer GBS wurde bei Infekten, nach Operationen und Impfungen
sowie nach 
Verwendung zahlreicher Medikamente und Umweltschadstoffe gesehen. 
Kontakt: 
Dr. med. Kurt E. Müller 
Scherrwiesenweg 16 
88316 Isny 
Tel.: 07562/5 50 51 
Fax: 07562/5 50 52 
E-Mail: muellerke-isny@t-online.de
Diagnosen
Zustand
nach zwei Schüben eines GBS 
Restparese des N. facialis
bds. 
Autoantikörper gegen Gangliosid - M1 vom IgG-Typ 
Sensibilisierung gegen Roxithromycin und
anorganisches 
Quecksilber im LTT 
Fragliche Sensibilisierung gegen organisches Quecksilber im LTT 
Diskussion
Bei der
Patientin wurden in halbjährigem Abstand unabhängig 
voneinander zwei Schübe eines GBS durch das Antibiotikum 
Roxithromycin und das homöopathische Medikament Mercurius 
solubilis ausgelöst. Bei Roxithromycin
handelt es sich um ein 
Makrolid mit Wirkung auf Streptokokken, Pneumokokken,
Gonokokken, 
Meningokokken, Mykoplasmen,
Ureaplasmen, Chlamydien, 
Campylobacter sowie Legionellen
u.a.. 
Mercurius solubilis enthält
das Präzipitat von Quecksilberamidonitrat,
das bei homöopathischen Therapien in unterschiedlichen 
Verdünnungen u.a. zur Induktion der Ausscheidung von
Quecksilber 
aus dem Organismus angewendet wird. Die von beiden 
Mitteln ausgelösten Krankheitsschübe waren in ihrem klinischen 
Erscheinungsbild gleich. Für ein GBS typisch wurden entsprechend 
dem Zeitabstand zu dem akuten Ereignis Antikörper vom 
IgG -Typ gegen Gangliosid -
M1 deutlich erhöht gemessen. Eine 
pathologisch gesteigerte Stimulation sensibilisierter Lymphozyten 
wurde trotz des relativ langen Zeitabstands der Untersuchung 
zu den akuten Erkrankungen gegenüber Roxithromycin 
und anorganischem, fraglich auch gegenüber organischem 
Quecksilber gefunden. 
Der Fall
ist deshalb von besonderem Interesse, weil zwei identische 
Krankheitsschübe eines GBS einerseits durch ein Arzneimittel, 
andererseits durch das Salz eines Schwermetalls ausgelöst 
wurden. Letzteres ist ein Hapten, das erst durch
Proteinbindung 
zum Vollantigen wird. Im LTT ist der Befund beider Substanzen 
vergleichbar. 
Zur
diagnostischen Relevanz des Lymphozytentransformationstests 
in der Umweltmedizin teilt die Kommission "Methoden und 
Qualitätssicherung in der Umweltmedizin" mit, dass diese 
Methode zum Nachweis einer medikamentös induzierten Allergie 
geeignet sei. Die Spezifität der Methode zur
Ermittlung einer 
Reaktivität gegenüber Metallen und anderen Chemikalien wird 
allerdings in Frage gestellt. Bezüglich der Metalle wird dabei auf 
Literatur verwiesen, die diese Einschätzung aufgrund des Fehlens 
epidermaler Reaktionen trifft. Diese Haltung ist 
rational nicht nachvollziehbar und wissenschaftlich nicht begründet. 
Bei Arzneimitteln handelt es sich um vielfältige Chemikalien sehr 
unterschiedlicher chemischer Zugehörigkeit und Struktur. Die 
Definition "Arzneimittel" resultiert aus der Verwendung der
jeweiligen 
Substanz als Medikament bei Menschen oder Tieren. 
Das
Immunsystem besitzt prinzipiell keinen immunologischen 
Mechanismus, zwischen Chemikalien, die Arzneien sind, und solchen, 
die keine sind, zu unterscheiden. 
Für die
immunologische Reaktion ist von Wichtigkeit, ob es sich um 
physiologisch verwendete und "vertraute" Substanzen handelt oder
nicht 
und wie die Reaktionsbereitschaft des jeweiligen Individuums durch das 
MHC I - und MHC II - Profil bzw. das HLA - Muster konditioniert ist. 
Das Immunsystem ist generell gegenüber Chemikalien reaktiv. 
Die Bereitschaft und das Ausmaß variieren individuell ebenso wie 
das Ausmaß der Immuntoleranz. 
Eine andere Situation wäre bei nicht physiologisch benötigten 
Metallen denkbar, da sie keine Vollantigene sind und erst an 
Proteine gebunden werden müssen. Resultieren kann nach der 
Inkorporation eine direkte strukturelle Änderungen von körpereigenen 
Proteinen bzw. nach Durchlaufen des Golgi-Apparats
eine 
veränderte Antigenpräsentation an der Oberfläche von TLymphozyten.
Eine epidermale Reaktion ist nur dann zu erwarten, 
wenn das Antigen bzw. Hapten auch primär über die dendritischen 
Langerhanszellen der Epidermis präsentiert wurde. 
Erfolgt die Antigen-/Haptenaufnahme inhalativ und/oder intestinal, 
ist das Fehlen einer epidermalen Reaktion kein
Kriterium, 
den Zusammenhang in Frage zu stellen. Dies gilt um so
mehr, 
wenn es zu Autoimmunreaktionen kommt, die auch als nach 
"innen gewendete Typ-IV-Allergien"
bezeichnet werden. 
Zu keiner einzelnen Arznei wurde je eine solch große Zahl an 
Untersuchungen durchgeführt, wie sie zu den unterschiedlichen 
Metallen vorliegen. Zudem haben follow-up
Untersuchungen 
zeigen können, dass die Reaktivität nach Beendigung der 
Exposition wieder sinkt. Die Zahl der Gedächtniszellen kann letztendlich 
so gering werden, dass zumindest im Labortest kein 
Resultat mehr zu erzielen ist. Fatal wäre es zu glauben, dass die 
immunologische Reaktionsbereitschaft "vergessen worden" ist. 
Erneute Exposition kann den Mechanismus in kurzer Zeit mit 
allen Konsequenzen wieder aufleben lassen. Alle dargestellten 
Sachverhalte sind in diesem einen Fall dokumentiert. Die 
Empfehlungen der zuvor genannten Kommission haben ein Ziel, 
aber keinen sachlich zu begründenden Inhalt. Eine Beratung der 
Patientin auf der Basis der Feststellungen dieser Kommission 
würde bei ihr zu einer falschen Risikoeinschätzung mit der 
Möglichkeit des fatalen Ausgangs führen. Die Kommission war 
bei der Vorbereitung des zitierten Artikels auf die Fehlerhaftigkeit 
ihrer Feststellungen hingewiesen worden. 
(Vortrag,
gehalten am 15. Februar 2003 anlässlich des 5. Norddeutschen 
Umweltsymposiums "Umweltmedizin und Umweltanalyse" 
zur Verabschiedung von Dr. med. Schiwara) 
Nachweise 
KOMMISSION "METHODEN UND QUALITÄTSSICHERUNG IN DER UMWELTMEDIZIN" 
am Robert-Koch-Institut (2002): Diagnostische Relevanz des
Lymphozytentransformationstestes 
in der Umweltmedizin, Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung- 
Gesundheitsschutz 45: 745-749 
STEJSKAL J., STEJSKAL V., MÜLLER K.E. (2001): Die Bedeutung der Metalle für die
Entwicklung von Autoimmunität und ihre Verbindung zum neuroendokrinen 
System, ZfU 9 (3): 160-172. 
STEJSKAL V., DANERSUND A., LINDVALL A., HUDECEK R. et al. (1999):
Metal-specific 
lymphocytes: biomarkers of sensitivity in man, Neuroendocrinology Letters 20: 
289-298. 
UMWELTMEDIZIN UND
UMWELTANALYTIK 
..... umwelt·medizin·gesellschaft | 16 | 2/2003
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