Die medizinisch-psychologische Entzugsbehandlung im Rahmen eines ambulanten Therapieprogramms für jugendliche Drogenabhängige ('Fixer')

- Eine Einführung für Ärzte, Schwestern und Pfleger -

\

von

Dr.Franz-Josef Feldhege

Dr.med.Max Daunderer

Max-Planck-Institut für Psychiatrie

Psychologische Abteilung Projektgruppe Rauschmittelabhängigkeit

in Zusammenarbeit mit der I«, Medizinischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses München-Schwabing

München,  1975


Inhalt

II0  Eine Übersicht über ein verhaltenstherapeutisches Breitbatid~ Programm für die ambulante Behandlung jugendlicher Drogen­abhängiger (* Fixer')

----- ^"M~ -ii—•—*""••—*

2.l. Grundlagen und Ziele des Therapieprogramms

2.2. Aufnahmebedingungen

2.3. Ablauf des Therapieprogramms

2 03 o l o  Kontaktphase

203o2c,  Kontrollphase

20303o  Entzugsphase

2o3o40   Verhaltenstrainingsphase

2o3o50   Nachsorgephase

LII._Das medizinisch psychologische Entzugsprogramm Solo Psychologische Entzugsmassnahmen

30l.l<, Die psychologische Vorbereitung des Klienten auf den körperlichen Entzug

301.,20 Durchführung verhaltenstherapeutischer Entzugs­massnahmen

3ol.30 Informationsgespräch für Ärzte^, Schwestern und Pfleger

302. Medizinische Entzugsmassnahmen

3o20lo Aufnahme des Klienten auf die Station 302o20 Einige Hinweise zur Entzugsmedikation 30203o Mögliche Komplikationen


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3038 Die klinische Überwachung des Entzugs

331 Klinische Verfahren zur Basiskontrolle des Entzti&s

3o3.2 Kontrolle der Drogenfreiheit durch Urinproben­analysen

3.33 Verhalten bei Rückfallverdacht und festgestellten Rückfällen

3.3,4. Allgemeine internistische Durchuntersuchung

IV. Literaturhinweise

1. Deutschsprachige Literatur zur klinischen Entzugsbe­handlung

2 Deutschsprachige Literatur zur verhaltenstherapeu­tischen Behandlung jugendlicher Drogenabhängiger

3 Einführende Literatur in die Verhaltenstherapie

V Anhang

-    Behandlungsvertrag

-    Verhaltensvertrag (Form A)

-    Verhaltensvertrag (Form B)


Einleitung

Im Rahmen eines Projektes zur Entwicklung und "Überprüfung von Thera­pieprogrammen zur Rehabilitation von jugendlichen Drogenabhängigen^ das im Auftrag und mit Mitteln des Bundesministeriums für Jugend? Familie und Gesundheit durchgeführt wird9 wurde in der Psycholo­gischen Abteilung des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München (Leiters PD Dr0 J<,C Brengelmann) im Rahmen der Projekt­gruppe Rauschmittelabhängigkeit ein verhaltenstherapeutisches Breit­bandprogramm zur ambulanten Behandlung von jugendlichen Drogenab» hängigen ('Fixer") entwickelt und seit Januar 1975 an drei Klienten­gruppen erprobt.

Ein wesentlicher Bestandteil dieses Therapieprogramms ist die kli­nische Entzugsbehandlung der jugendlichen Drogenabhängigen« Dafür wurde in der seit 1973 bestehenden Zusammenarbeit zwischen der l. Mediz. Abteilung des Stadt Krankenhauses München-Schwabing und

der Projektgruppe Rauschmittelabhängigkeit ein medizinisch-psycho-

1) logisches Entzugsprogramm entwickelt   .

Die vorliegende Anleitung vermittelt einen kurzen Überblick über Inhalt und Ablauf des gesamten therapeutischen Behandlungspro» gramms - in das die Entzugsbehandlung eingebettet ist - und eine verkürzte Darstellung allgemein indizierter und im Einzelfall an­zuwendender medizinischer Massnahmen bei der körperlichen Entgif­tung jugendlicher Drogenabhängiger ('Fixer*)

Zur weiteren Information und zu spezifischen Fragen bei der Ent­zugsbehandlung siehe Literaturangaben Seite 26.


Ziel dieser Anleitung ist es = durch Information aller an der Ent­zugsbehandlung beteiligten Mitarbeiter - eine möglichst gute Zusam­menarbeit untereinander herzustellen und dadurch eine bestmögliche Verbindung medizinischer und psychologisch-therapeutischer Behand­lungsmassnahmen zu gewährleisten.


IIo Übersicht über ein verhalteastherapeutisches Breitbandprogramm

für die ambulante Behandlung jugendlicher Drogenabhängiger ('Fixer')


3 -

2ole Grundlagen und Ziele des Therapieprogramms

Das Therapieprogramm ist auf verhaltenstherapeutischer Grundlage entwickelt worden« Die Verhaltenstherapie geht davon aus, dass der grösste Teil des menschlichen Verhaltens aufgrund bestimmter Lern- gesetzmässigkeiten erworben und aufrechterhalten wird und genauso auch wieder abgebaut, dhq "verlernt" werden kann. Dabei wird kein Unterschied zwischen sogenanntem normalen und ab­weichenden oder abnormen Verhalten gemacht9 d0h0 dieselben Lern­prinzipien gelten für die Entstehung9 Aufrechterhaltung und den Abbau von normalem und abweichendem Verhaltene

Das Ziel der Verhaltenstherapie besteht darin, die Bedingungen, die für die Entstehung und Aufrechterhaltung eines Fehlverhaltens ver­antwortlich sind, genau zu analysieren und unter Zuhilfenahme der -Lernprinzipien und der daraus entwickelten verhaltenstherapeutischen Methoden gezielt und systematisch zu verändern.

Die Drogenabhängigkeit ist ein Beispiel für abweichendes Verhalten9 dessen Entstehung meist durch ungünstige familiäre Verhältnisse und Defizite im Sozialverhalten erklärt werden kann, dessen Aufrechter­haltung durch die angenehme körperliche Wirkung der Drogen einer­seits und die Verringerung bzw. Vermeidung von sozialen Ängsten, Hemmungen und Hilflosigkeitsgefühlen andererseits erklärbar wird.

Das Therapieprogramm vermittelt dem jugendlichen Drogenabhängigen schrittweise und seiner jeweiligen Lern- und Belastungsfähigkeit entsprechend Möglichkeiten und Verhaltenstechniken,, um selbständig seine Probleme und Schwierigkeiten lösen zu können.

Eines der Hauptziele^ dieser Therapie besteht darin, dass die Klien-

ten lernen, drogenfrei zu werden und danach auch weiterhin drogen­frei zu leben bzw. eventuell kritische Rückfallsituationen früh-


zeitig selbst zu erkennen und zu vermeiden

Zum Erreichen dieses Zieles gehört einmal das Einstellen des Drogen-konsums aber auch der Abbau des Drogenverhaltens, d0h aller Verhal­tensweisen, die im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum aufgetreten sind wie zB Kontakte zu Drogenkonsumenten, Besuch von Drogenlo­kalen, Drogengespräche, Drogengedanken etc0

Ein weiteres, ebenso wichtiges Ziel der Therapie besteht darint dass

der Klient lernt, die Verhaltensschwierigkeiten,, die außer dem Dro­genkonsum noch bestehen und diesen sehr oft wieder auslosen bzw. verstärken wie z.B, Kontaktschwierigkeiten, Hemmungen, seine An­sprüche und Bedürfnisse offen zu äußern, nicht-drogengebrauchende Freunde zu finden aber auch Schwierigkeiten 5, regelmäßig

 zu arbeiten oder seine Freizeit aktiv zu gestalten, selbständig und erfolgreich zu bewältigen»

Ein drittes Hauptziel besteht in der körperlichen Wiederherstellung

des Klienten. Hierzu gehört als erste Maßnahme die Durchführung des klinischen Entzugs, der zur körperlichen Entgiftung des Drogenab­hängigen führt o

Erfahrungsgemäss bestehen bei vielen Klienten weitere körperliche Schäden, die sich im Laufe des Drogenkonsums gebildet haben und ebenso behandlungsbedürftig sind wie die körperliche Drogenabhägigkeit, soll der Klient auch langfristig drogenfrei bleiben. Hier kommt die wichtige Funktion von Ärzten, Schwestern und Pflegern zum tragen, die diese Betreuungsaufgabe beim Klienten übernehmen müssen»

Um diese drei Hauptziele zu erreichen^ müssen alle Personen, die mit

dem Klienten Kontakt haben, zusammenarbeiten«

Zu diesen Personen gehören die Verhaltenstherapeuten» die den Klien-


ten in der Therapie wichtige Verhaltenstechniken vermitteln9 die Ärzte, Schwestern, Pfleger und Beschäftigungstherapeuten, die die Klienten während des klinischen Entzugs betreuen9 die Therapie­helfer und die Mitglieder der Kontaktgruppe9 die den Klienten hel­fen 9 die gelernten Verhaltenstechniken in ihrer Alltagsumgebung er­folgreich anzuwenden sowie im Einzelfall auch weitere Personen aus der Alltagsumgebung der Klienten (wie z0B0 Eltern,, Partner9 Freunde9 Verwandte etc,)»

Um eine möglichst gute Zusammenarbeit aller an diesem Therapiepro­gramm beteiligten Personen zu gewährleisten9 werden die drei ersten

Gruppen ausführlich über die Therapie informiert9 während die letzte Gruppe nur - im Einverständnis mit dem Klienten - und wenn es not­wendig erscheint, mit in die Therapie einbezogen wird.

dieser Informationsaustausch geschieht einmal durch regelmäßige Informations- und Diskussionstreffen mit den Verhaltenstherapeuten, zum anderen durch schriftliche Anweisungen, die für jede der drei Oog Gruppen erstellt werden»

Im folgenden wird ausführlich auf den Ablauf und die therapeutischen Maßnahmen, die in diesem Therapieprogramm Anwendung finden,, ein­gegangen»

Doch zunächst zu den Voraussetzungen die die Klienten erfüllen müsen, um an der ambulanten Therapie teilnehmen zu können,,

22 Aufnahmebedingungen

Die Klienten müssen folgende Voraussetzungen erfüllen,, um am ambu­lanten Therapieprogramm teilnehmen zu können;

10 Der Klient muss in der Stadt, in der sich die Behandlungseinrich- tung befindet oder in der näheren Umgebung eine Wohnung haben;


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er darf aber nicht mit anderen Drogenabhängigen zusammenwohnen

2 Der Klient sollte weder gerichtliche Auflagen, die die Therapie betreffen, noch anstehende oder schwebende Verfahren im Zusam­menhang mit Drogenkonsum, -besitz oder -erwerb haben»

3, Der Klient sollte nicht länger als zwei Jahre Drogen gespritzt9 sowie nicht länger als insgesamt drei Jahre regelmäßig

   Rausch­mittel konsumiert haben.

4 Der Klient sollte einen Therapiehelfer  finden, der für die

Dauer des Therapieprogramms bereit ist, den Klienten regelmäßig zu betreuen»

5o Der Therapiehelfer soll aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis des Klienten stammen und darf kein Drogenkonsument - auch kein ehemaliger - sein»

6 Bei Verdacht auf Selbstmordgefahr oder Psychose muss vor Antritt der Behandlung ein psychiatrisches Gutachten beigebracht werden» das die gegenwärtige Gefährdung ausschließt,

2,3» Ablauf des Therapieprogramms

Das Therapieprogramm gliedert sich in fünf aufeinander aufbauende Phasen, die im folgenden beschrieben werden sollen,,

2,3..1,. Kontaktphase (Dauer ca3 2-3 Wochen)

Nachdem der Klient den ersten Kontakt mit der Behandlungseinrichtung aufgenommen hat, wird zunächst ein kurzes Aufnahmegespräch mit ihm geführt, in dem er - nach Abklärung der Aufnahmekriterien - über den Ablauf des Therapieprogramms und über die Anforderungen9 die an ihn

Genaue Beschreibung der Aufgaben des Therapiehelfers siehe unter Punkt 203olo  Seite 7


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gestellt werden, informiert wird.

Sind die Aufnahmekriterien erfüllt9 bekommt er einige Tage Bedenk» zeito

Danach wird gemeinsam über die Aufnahme in das Therapieprogramm ent­schieden und ein sogenannter Behandlungsvertrag zwischen Therapeut und Klient unterzeichnet, in dem noch einmal alle Aufgaben und ge­genseitigen Verpflichtungen niedergelegt sind.

Als nächstes muss sich der Klient einen Therapiehelfer suchen, der den allgemeinen Anforderungen für die Therapiehilfe entspricht (siehe Aufnahmebedingungen) und bereit ist5, für die Dauer der Thera­pie bestimmte Aufgaben zu übernehmen.

Der Aufgabenbereich des Therapiehelfers besteht hauptsächlich darin,, dem Klienten zu helfen, bestimmte Lernschritte, die ihm in der Thera­piegruppe vermittelt werden, auf seine "natürliche Umgebung" zu übertragen und dort erfolgreich anzuwenden.

Findet der Klient keinen Therapiehelfer, der bereit und geeignet ist, die Betreuung des Klienten zu übernehmen, wird von der Behand­lung s einr ich tung ein geeigneter Therapiehelfer gestellte

Sobald der Klient drogenfrei, ist, kann er für die Dauer der Therapie und darüber hinaus Verbindung mit der sogenannten Kontaktgruppe aufnehmen»

Die Funktion dieser Gruppe besteht darin, das Freizeitangebot für den Klienten zu vergrössern und ihm gleichzeitig den selbständigen Aufbau einer neuen9 nicht-drogengebrauchenden Bezugsgruppe zu er­möglich en

Kontaktgruppen setzen sich aus Laien zusammen, die an dieser Form der Resozialisierungsarbeit interessiert sind, gerne ihre Freizeit mit anderen verbringen und selbst neue Kontakte schliessen möchten,, Ein verantwortlicher Verbindungsmann organisiert regelmässige Tref-


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fen, Stammtische, Parties. Wochenendfahrten usw. zu denen er alle Mitglieder der Kontaktgruppe9 die Therapiehelfer und die Klienten einlädt o

Mitglieder von Kontaktgruppen werden durch die Behandlungseinriehtuag angeworben und üben ihre Betreuungstätigkeit - ebenso wie die Thera­piehelfer - "ehrenamtlich" aus0

Wenn sich eine Gruppe von 7-9 Klienten gebildet hat? die die Auf­nahmekriterien erfüllen und am Therapieprogramm teilnehmen wollen9 wird die Kontaktphase abgeschlossen und zur nächsten Therapiephase übergegangen^


 


2s32, Kontrollphase (Dauer ca0 2 - 3 Wochen)

Der drogenabhängige Klient lernt nun als erstes9 durch die Anwendung verschiedener Selbstkontrolltechniken die Menge und Häufigkeit sei» nes Drogenkonsums zu reduzieren,,

Er muss in dieser Phase vier Stufen mit steigendem Schwierigkeits­grad durchlaufen5 für die jeweils zusammen mit dem Therapeuten eine Kontrollbedingung - wie z0B0 eine bestimmte Drogenmenge pro Tag we­niger einnehmen - in einem Verhaltensvertrag schriftlich festgehal­ten und durch die gegenseitige Unterschrift besiegelt wird.


Klienten, die zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme schon entzogen sind9 lernen in dieser Phase, ihr Drogenverhalten wie zB. Drogengedanken und -wünsche sowie sonstige kritische Rückfallsituationen durch die Anwendung von Selbstkontrolltechniken abzubauen0

Für diese Klienten gilt zusätzlich^ dass sie bis zum Ende dieser Phase eine Arbeits- bzw. Ausbildungsstelle angetreten haben müssen0 Gleichzeitig werden beide Klientengruppen und die Therapiehelfer durch Programmierte Anleitungen über die grundlegenden Lernprinzi -pien, über Selbstbeobachtung und Analyse des eigenen Verhaltens»über


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die Entstehungsbedingungen der Drogenabhängigkeit und über die wich-tigsten Kommunikationsprinzipien informierte

In einem daran anschliessenden Verhaltenstraining werden die Thera­piehelfer zusätzlich auf ihre spezielle Betreuungsaufgabe innerhalb des Therapieprogramms vorbereitet

Die Klienten müssen sich während dieser Zeit selbständig um eine Ausbildungs- bzw«, Arbeitsstelle bemühen» sofern sie eine solche noch nicht haben0 Treten dabei grössere Schwierigkeiten auf, so stehen ihnen die Mitarbeiter der Behandlungseinrichtung zur Beratung und Hilfe zur Verfügung.,

Die nächste Phase wird erst eingeleitet wenn ein Ausbildungs- bzw0 Arbeitsplatz gefunden ist»

Die Behandlung der Klienten findet in der Kontrollphase in Einzel­sitzungen mit dem Therapeuten oder zusammen mit dem Therapeuten und dem Therapiehelfer statt

203o3o Entzugsphase (Dauer 8-10 Tage)

Der körperliche Entzug wird auf internistischen Stationen eines All* gemeinkrankenhauses durchgeführt.

Bei besonderer medizinischer und psychologisch-therapeutischer Indi­kation kann der Entzug auch ambulant, zBö in der Wohnung des Klien­ten, durchgeführt werden»

Die medizinische Behandlung erstreckt sich in beiden Fällen auf eine gründliche körperliche Durchuntersuchung und die Behandlung allge­meiner Körperschaden sowie auf die Behandlung der Entzugssymptoma-tik mit speziellen Entzugsmedikamenten»

Das Verhaltenstherapeutische Entzugsprogramm besteht hauptsächlich in einem Training zur Früherkennung und Vermeidung von Rückfallen, das sich besonders auf die im Entzugsstadium vermehrt auftretenden


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Drogengedanken und -wünsche bezieht.

Ausserdem werden mit dem Klienten kurz- und längerfristige Zukunfts-pläne^ z0Bo für den Bereich der Ausbildung, Beruf oder Partnersitua­tionen entwickelt;, sowie realistische Teilziele zur Verwirklichung dieser Pläne formulierte

Die Behandlungssitzungen finden in der Phase zweimal täglich statt und dauern ca. eine Stunde pro Klient»

Nach dem Krankenhausaufenthalt bzw» nach der Beendigung des ambulan­ten Entzugs treten die Klienten - als Vorbedingung zur Teilnahme an der nächsten Programmphase - sofort ihre Arbeits- bzw., Ausbildungs­stelle an0

Eine ausführliche Beschreibung des medizinischen und psychologisch­therapeutischen Entzugsprogramms folgt unter Punkt III dieser An­leitung»

2o3o4c Verhaltenstraining in der Gruppe (Dauer ca» 31/2-4 Monate)

Mit Beginn dieser Phase werden alle Klienten in der Gruppe zusam-mengefasst.

Es finden wöchentlich drei Gruppensitzungen, die etwa zwei Stunden dauern, statt.

Hauptziel dieser Therapiephase sind die Probleme und Schwierigkeiten, die die Klienten im Sozialverhalten haben. Dazu werden im verhaltens­therapeutischen Rollenspiel bestimmte Übungssituationen zu den vier Problembereichen, die nach einem vorgegebenen Plan - die von jedem Klienten selbst aufgestellt werden - durchgeführt»

Wenn die ÜbungsSituationen in der Gruppe beherrscht werden, soll der Klient dieselben Übungen ausserhalb der Gruppe mit seinem Therapie­helfer ausführen» Als höchste Schwierigkeitsstufe werden die Übungen zuletzt vom Klien-- 11 -

ten selbständig in seiner "natürlichen Umgebung" durchgeführt,

Die vier Problembereiche, die durch das Verhaltenstraining angegan-

wer den s> sind s Verbesserung der Beziehung zu Partnern., Freunden und Bekannten

Der überwiegende Teil der Drogenabhängigen hat Schwierigkeiten9 seine Gefühle dem Partner oder Freund gegenüber offen auszudrücken, eine stabile Beziehung zu anderen aufzubauen oder feste Vereinba­rungen hinsichtlich seiner Beziehung zu treffen und sich daran zu halten.

Diese Schwierigkeiten resultieren meist noch aus der Zeit vor dem Drogenkonsum und sind beim Drogenabhängigen oft dafür verantwort­lich , das s Rückfälle bei ihm auftreten,,

Das Verhaltenstraining besteht in der systematischen Übung von Verhaltenstechniken, die das Beziehungsverhältnis verbessern^, dotu konfliktärmer gestalten sollen,

Beispiele für solche Techniken sind? das Verbalisieren und offene Äussern von Gefühlen,, Verhaltensregeln mit dem Partner aushandeln etc.

2o Selbständig Kontakte zu fremden, nicht-drogengebrauenden Personen herstellen können

Im Verlauf der Drogenkarriere haben sich die Kontakte der meisten Drogenabhängigen fast ausschliesslich auf die 'Fixer der Drogen­szene" eingeschränkt* Alte Freundschaften sind abgebrochen5, neue Freundschaften zu nicht»drogengebrauchenden Personen wurden nicht mehr aufgebaute

In diesem Teil des Trainingsprogramms lernen die Klienten, zunächst leichtere Kontakt Situationen wie z<,B0 eine fremde Person anspre­chen 5, zu bewältigen; später wird auch hier der Schwierigkeitsgrad langsam und schrittweise gesteigert.


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Das Ziel des Kontakttrainings besteht darin, dass der Klient lernt, sich selbständig einen neuen, nicht-drogengebrauchenden Freundeskreis aufzubauen

3. Berechtigte Ansprüche und Forderungen durchsetzen können

Sich gegenüber Arbeitskollegen, Vorgesetzten aber auch fremden Personen durchsetzen und auf seinem Recht bestehen können, ohne dabei aggressiv zu werden, fällt den meisten Klienten sehr schwer. Misserfolge in diesem Problembereich sind oftmals Auslöser für einen Rückfall,

4 Misserfolge und BelastungsSituationen bewältigen können

In diesem Bereich sind Drogenabhängige am stärksten rückfallge­fährdet.

Für die meisten Rückfälle sind Misserfolge oder das Versagen in BelastungsSituationen verantwortlich,

Beispiele dafür sind? Einstellungsgespräche9 in denen der Klient auf seine Drogenvergangenheit angesprochen wird und die Eignung für die Arbeit angezweifelt wird oder Misserfolge in Prüfungen etc

In dieser Phase kommt besonders die wichtige Funktion des Therapie­helfers zum tragen, nämlich Massnahmen des Trainingsprogramms aus-serhalb der Therapiestunde fortzuführen.

Um diese wichtige Betreuungsaufgabe effektiv zu gestalten, nehmen die Therapiehelfer nach Abschluss ihrer Ausbildung einmal pro Woche Kontakt mit dem Therapeuten auf, um über den Verlauf der Betreuung zu berichten.

Darüber hinaus treffen sich alle Therapiehelfer 14-tägig mit dem Thera­peuten, um über aufgetretene Schwierigkeiten mit dem Klienten zu be­richten und um gemeinsame Lösungen zu erarbeiten.


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Ebenso finden regelmässige Treffen von Kontaktgruppe, Klienten und Therapeuten statt, wo über Möglichkeiten zur gemeinsamen Freizeit­gestaltung gesprochen wird«,

2 3.5. Nachsorgephase (Daue r ca.0 6 Monate)

An das Verhaltenstraining schliesst sich eine 6-monatige Nachsorge­phase an» in der die Klienten in zwei einwöchigen "Auffrischungs­sitzungen" noch einmal intensiv nachbetreut werden«

Diese Sitzungen finden jeweils 4 und 8 Wochen nach dem Ende der Ver­haltenstrainingsphase statt und dienen dazu, die vom Klienten noch nicht beherrschten Teile des Trainingsprogramms sowie eventuell neu aufgetretene Verhaltens Schwierigkeiten zu behandeln,, Ausser diesen beiden AuffrischungsSitzungen finden keine weiteren Kontakte zwischen Therapeut und Klient statt, ausser, der Klient wünscht dies ausdrücklich von sich aus»

Therapeut und Sozialarbeiter "blenden" sich in dieser Phase langsam aus der Betreuung der Klienten aus, während Therapiehelfer und Kon­taktgruppe die weitere Betreuung der Klienten übernehmen»

Zur Messung des Therapieerfolgs werden, nach Beendigung der Therapie bei allen Klienten, soweit sie noch erreichbar sind, Nachkontrollen über die Drogenfreiheit durchgeführt


IIIo Das medizinisch-psychologische Entzugsprogramm


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3,1, Das psychologische Entzugsprogramm

3,1.1, Die psychologische Vorbereitung des Klienten auf den köperlichen Entzug

Am Ende der Kontrollphase wird der Klient auf seinen körperlichen Entzug vorbereitet s, indem der betreuende Psychologe ihn über die Art, Dauer und Wirkung von EntzugsSymptomen und - bei stationär durchgeführtem Entzug - über die zu beachtenden Stationsregeln aufklärt»

Diese Vorbereitung hat sich als notwendig und hilfreich erwieseny da sie dazu geeignet ist, beim Klienten Ängste vor dem Entzug ab­zubauen und die Durchhaltefähigkeit zu erhöhen»

Zunächst wird der Klient über mögliche EntzugsSymptome aufgeklärt« (Dies ist besonders wichtig für Klienten,, die noch keinen körper­lichen Entzug durchgeführt haben») Dabei werden folgende Symptome aufgezählts


Schwel s sausbriiche Nasenfluss Tränenfluss

Pupillenerweiterung Gänsehaut Zittern

Glieder- und Muskelschmerzen Anstieg von Puls,, Blut­druck und Temperatur


Erbrechen

Durchfall

Schlaflosigkeit

Husten

Gähnen

Muskelstarre


Desweiteren wird der Klient über die Art und Wirkung der Entzugs­medikation, sowie über Ausgabezeitpunkte und Dosis - entsprechend dem Schema von Dr Daunderer (siehe Seite 21 dieser Anleitung) -informiert»


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Daran schliesst sich die Information über die für alle Klienten gel­tenden Stationsregeln an. Zur Einhaltung dieser Regeln verpflichtet sich der Klient dem Psychologen gegenüber in Form eines schriftlich fixierten Verhaltensvertrages o

Werden diese Regeln nicht eingehalten, so hat das eine Verlängerung, des Klinikaufenthaltes bzw bei mehrmaligem Übertreten des Verbo--, tes eine sofortige Entlassung aus der Therapie zur Folge

Im einzelnen haben die Stationsregeln - dies wenn möglich,, auch vom Stationspersonal kontrolliert werden sollten - folgenden Inhalts

10 Der Klient muss sich beim diensthabenden Arzt oder bei der diensthabenden Stationsschwester/Pfleger beim Verlassen der Station - mit Orts- und Zeitangabe - abmelden,, (Das Verlassen des Krankenhauskomplexes ist grundsätzlich ver­boten»)

2 o Der Klient darf nur nach vorheriger Aufforderung durch den Arzt . oder Schwester/Pfleger das Arzt- bzw« Stationszimmer betretenda Klienten durch offene Arznei schränke und herumliegende Spritzen rückfallgefährdet sind,

3. Der Klient darf Besuch nur nach Absprache mit dem Therapeuten empfangen.

Mit den Klienten9 die den Entzug ambulant durchführen, werden die speziellen Entzugsbedingungen (Medikation,, Ausgang etc0) zusammen mit dem behandelnden Arzt und dem Psychologen festgelegt0

siehe Anlage


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3ol02o Durchführung Verhaltenstherapeutischer Entzugsmassnahmen

Der Klient, der das Programm bis zur Entzugsphase durchlaufen hat? hat damit schon einige Durchhaltefähigkeit bewiesen9 indem er die Menge der vorher gespritzten Droge schrittweise reduziert und meist auf eine weniger starke Droge "umgestiegen" ist, z0B0 von Heroin auf ein Ersatzpräparat.

In der Entzugsphase wird diese Droge abrupt abgesetzt und damit gleichzeitig ein Verhaltensablauf unterbrochen, der bei manchen Klienten schon jahrelang und mit hoher Intensität und grosser Häfigkeit abgelaufen ist.

Die körperlichen Folgen, die diesen Entzugsprozess begleiten - und dessen Erscheinungsform und Behandlung im medizinischen Teil des Entzugsprogramms dargestellt sind - kann der Klient - teilweise so­gar mit sehr wenig oder sogar ganz ohne medikamentös« Unterstützung -in einer Zeitspanne von 3-5 Tagen hinter sich bringen., Seine grösste Schwierigkeit besteht vielmehr darin, sein Drogenver­halten aufzugeben, was für ihn nicht nur den Verzicht auf den Dro­genkonsum und das darauf folgende Rauscherlebnis bedeutet, sondern auch alle Kontakte zur Drogenszene und seinen "Fixerfreunden" abzu­brechen v denen er sich - trotz vieler schlechter Erfahrungen- durch viele gemeinsame Erlebnisse und das Gefühl der Zusammengehörigkeit und des Akzeptiertwerdens mehr verbunden fühlt als seinen ehemali­gen, nicht-drogengebrauchenden Freunden oder seinen Eltern, die meist mitverantwortlich für die Entstehung seiner Drogenabhängigkeit waren0

Ausserdem hat der Klient mit seinem Drogengebrauch eine "bequeme" Technik gelernt, um damit schnell und zuverlässig jedem Konflikt und jeder BelastungsSituation durch einen "Schuss" zu entfliehen» Darin besteht ein wichtiger Grund für die oft sehr lange dauernde Abhängigkeit und die hohe Rückfallwahrscheinlichkeit«


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Die Entzugsphase selbst stellt für den Klienten schon eine solche Belastungssituation dar, in der er - zur Vermeidung des Rückfalls -neben der medizinischen Betreuung - auch psychotherapeutische Hil­fe braucht.

In dieser Zeit stehen für den Klienten besonders das vermehrte Auf­treten von Drogengedanken und -wünschen sowie das Fehlen von Ver­haltensalternativen zu seiner Drogensituation als zu bewältigende Probleme im Vordergrund,

Dementsprechend besteht das Ziel, des psychologischen Entzugspro­gramms darin, den Klienten in die Lage zu versetzen, sein.. Drogen­verhalten - im Sinne des Abbaus von Drogengedanken und -wünschen -unter eigene Kontrolle zu bringen sowie mit Hilfe des Therapeuten Verhaltensalternativen zu seiner jetzigen Situation zu entwickeln und in dem Rahmen, in dem dies zu diesem Zeitpunkt schon möglich ist, auch durchzuführen»

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde ein Selbstkontrollprogramm zu­sammengestellt (Feldhege, 1975), das therapeutische Indikationen, Beschreibungen und Durchführungshinweise zu mehreren Selbstkontroll­techniken enthält«,

Die Klienten lernen«, diese Selbstkontrollmassnahmen zum Abbau des bei ihnen während des Entzugs im Vordergrund stehenden Drogenver­haltens und zur Verhinderung von Rückfällen einzusetzen.

Im folgenden sollen zwei Selbstkontrollverfahren exemplarisch dar­gestellt werden?

l. Die verdeckte Sensibilisierung

Die Wirkungsweise dieser Selbstkontrolltechnik besteht darin, dass ein Störverhalten - in diesem Fall das Drogenverhalten - häufig mit einem unangenehmen Zustand verknüpft wird, nach einer bestimmten Zeit selbst unangenehm wird und daher seltener auftritt und im gün-


 


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stigsten Fall sogar ganz verschwindet«

In der verdeckten Sensibilisierung werden dem Klienten sowohl die Situationen, in denen das Störverhalten auftritt als auch die un­mittelbar darauf folgende unangenehme Situation in der Vorstellung vorgegeben»

Nachdem der Klient diese Technik in mehreren Therapiesitzungen er­lernt hat, kann er sie selbständig durchführen» Das hat den Vor­teil , dass der Klient einmal unabhängig von der Therapiesituation wird, zum anderen diese Technik in allen kritischen Situationen und zu jedem Zeitpunkt anwenden kann,

20 Aufbau von Zukunftsplanung

Eine weitere Technik9 die sich auf die Erarbeitung von Verhaltens­alternativen zum Drogengebrauch richtet, wird ebenfalls in der täglichen Therapiesitzung mit dem Klienten durchgeführte

Der Aufbau von Verhaltensalternativen ist für den Drogenabhängigen besonders in den Bereichen Arbeit und Freizeit wichtig, da er während seiner Drogenkarriere häufig "verlernt" hat, regelmassig einer Arbeit nachzugehen und dort auch bei auftretenden Schwierig­keiten nicht sofort aufzugeben, ebenso wie in der Freizeit eigene Interessen zu entwickeln und sich selbst zu beschäftigen»

Die Technik besteht darin, mit dem Klienten zunächst eine Bilanz über sein aktives Verhaltensrepertoire zu den entsprechenden Berei­chen aufzustellen, d.h. zu fragen, "was hast Du gelernt, was hast Du früher gemacht, was sind Deine Hobbies und Interessen" etc0

Der nächste Schritt besteht darin, mit dem Klienten zu klären9 was er gerne lernen und können möchte0


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Nachdem Ist- und Soll-Zustand klar und möglichst konkret herausge­arbeitet sind, wird mit dem Klienten für jeden Verhaltensbereich ein genauer Plan erarbeitet, in dem jeder Schritt zur Erreichung des Soll-Zustandes konkret beschrieben ist0

Der Klient lernt  durch diese Technik, seine Lage realitätsangemes-

sen zu sehen und  sie in kleinen Schritten, die seinen Fähigkeiten

angemessen sind,   in Richtung auf seine erwünschten Ziele zu ver-­
ändern.

Die beiden hier dargestellten wie auch die anderen im Selbstkon­trollprogramm zusammengefassten Selbstkontrolltechniken sollen dem Klienten helfen, besonders in der ersten Zeit nach dem Entzug einen Rückfall zu vermeiden»

Das auf die Entzugsphase folgende Verhaltenstrainingsprogramm soll den Klienten in die Lage versetzen, auch langfristig drogenfrei zu bleiben»

3.1.3, Informationsgespräch für Ärzte,, Schwestern und Pfleger

Um eine möglichst enge Zusammenarbeit von Psychologen, Ärzten, Schwestern und Pflegern bei der Durchführung der einzelnen Mass-nahmen zu gewährleisten, findet bei der Aufnahme des Klienten auf die Station ein einführendes Informationsgespräch für den Arzt und die betreuenden Schwestern/Pfleger durch den Psychologen statt.


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3,2 Das medizinische Entzugsprogramm

3»2ol|8 Die Aufnahme des Klienten auf die Station

Auf jeder Station sollte nicht mehr als ein drogenabhängiger Klient

behandelt werden»

Da dies aus belegungstechnischen Gründen oft nicht durchführbar

ist,, sollte der Arzt es jedoch unbedingt vermeiden, mehrere Klienten

zusammen auf ein Zimmer zu legen«

Durch gemeinsame Gespräche über Drogenerinnerungen und -erlebnisse

wird sehr schnell ein Rückfall aller Beteiligten ausgelöst,

Nach der Aufnahme sollte der Arzt mit dem Drogenabhängigen zusam­men kurz die medikamentöse Behandlung sowie mögliche Komplikationen besprechen wie ZoB Apathie, Sehstörungen, Schwindelanfälle etc0

Empfohlen wird dem Klienten, alle sechs Stunden eine Tablette zu nehmen. Es empfiehlt sich, nach dem Medikationsschema von Dr. Daunderer vorzugehen (siehe Seite 21) und keinerlei zusätzliche Medikamente einzunehmen.

Der Klient sollte hier noch einmal darauf hingewiesen werden, dass der Entzug grundsätzlich auch ohne jegliche Medikation durchführ­bar ist.

Je weniger Tabletten der Klient zum Entzug braucht, umso höher kann seine Entzugsmotivation eingeschätzt werden»


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3,220 MEDIKATIONSSCHEMA FÜR DROGENABHÄNGIGE


Fixer


5 x 50 mg


3 x 50 mg


1x 50 mg abends


 


Drg. Aponal

forte

Bei Bedarf je

weils 1 Drg.

nachgeben


Drgc Aponal     forte

= Doxepin


 


Tage g B

Ampheta

mi.ne 9

Barbitu

rate,

oral

Opiate,

Alkohol


3 x 50 mg

C Aponal

forte

8h / 14h / 20h


8

1 x 50 mg abends

iR ) Drg0 Aponal^-^ forte


Ab dem 9 Tag sollen keinerlei Medikamente mehr ausgegeben werden.

Relative Kontraindikation besteht für Aponal bei Krampfneigung9 Gravidität und akuter Hepatitis.


- 22

Hinweise_für_Umgang mit der Entzugsmedikation

Der Klient soll Einnahmezeitpunkt und Menge selbst bestimmen» Wichtig bei dieser 'Selbstkontrollmethode' ist es, jeden Morgen die nicht gebrauchten Medikamente wieder einzusammeln und den Klienten für jede gesparte Tablette ausdrücklich zu loben»


Intravenöse Injektionen sollten - wenn unumgänglich - möglichst nicht an Venen durchgeführt werden, die schon vorher von den Klienten beim Drogengebrauch benutzt wurden

Hier besteht ebenfalls durch das erneute Erlebnis des Nadelein­stiches eine Rückfallgefahr, die bei sogenannten 'needle freaks besonders gross ist0


,1)


Bei anfänglicher - entzugsbedingter - nächtlicher Schlaflosigkeit (die in schweren Fällen bis zu 14 Tagen nach dem Entzug andauern kann) empfiehlt es sich - wenn überhaupt - abend 12 Tropfen     Theralene zu geben.

@

Bei Valium, Distraneurin oder besonders Valoren besteht

die Gefahr des Rückfalls bzw. des Umsteigens auf die Droge.

 

3,2030 Mögliche Komplikationen

Falls bei einem plötzlichen Entzug oder bei schweren Begleiter­krankungen eine Schocksymptomatik eintreten sollte, empfiehlt sich die Infusion eines Plasmaersatzpräparates und eine Überwachung auf einer Intensivstation. Bei einem Opiatentzug kann man zusätzlich mit

® METHADON

die Entzugssymptomatik sofort aufheben.

Unter 'needle freak1 versteht man einen Drogenabhängigen9 bei dem schon der Einstich der Injektionsnadel in die Vene - unab­hängig davon, was für eine Droge oder ob überhaupt eine Droge in der Spritze ist - zu einem Rauscherlebnis führt.


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3.3, Die klinische Überwachung eines Entzugs

3.3.1. Klinische Verfahren zur Basiskontrolle des Entzugs

Zur Basiskontrolle eines Drogenentzugs hat sich das Aufzeichnen der Pulskurve (dreimal täglich gemessen) bewährt. Die Pulsfre­quenz steigt nach den bisherigen Erfahrungen je nach Droge (Opiate, Amphetamine, Alkohol, Barbiturate) und entzugsunter­stützender Medikamentengabe glockenförmig von 80 auf 120 bis 160 Schläge pro Minute an und fällt nach einem Kurvenmaximum ebenso wieder ab (siehe Abbildung 1).

Bei einem Rezidiv fällt die Pulsfrequenz schlagartig auf Werte unter 80 pro Minute ab und steigt dann wieder langsam an. Schmerz- und Behandlungsmittel lösen allerdings den gleichen Ef­fekt aus, daher sollte man sie weglassen.

Bei wiederholten Pulsmessungen lässt sich der Einnahme Zeitpunkt (Rezidiv) genau bestimmen.



01               3^581


10     77      U     13     74     15     16 läge


 


 


--- Amphetamine


- Kurvenmaximurn

(Schwankungen sind gelegentlich zu beobachten! )


Abbildung 1. Typischer Puls-Kurvenverlauf bei Drogenentzug unter Gabe von Aponal®


- 24

Dem behandelnden Arzt ist es bei exakt geführter Krankenkurve mit diesen Kenntnissen möglich, sicher zu entscheiden, ob ein Entzug durchgeführt wird, wenn auch die sichere Entscheidung über ein Re­zidiv wegen der Störanfälligkeit nur über eine Urinkontrolle ge­fällt werden kann0

Zusätzlich empfiehlt sich bei 'Fixern' eine tägliche Überprüfung der Injektionsstellen, eine Reduzierung der Blutabnahmen auf ein Mindestmasse keine Punktion der vom Patienten missbrauchten Venen und schriftliche Fixierung der vom Arzt hinterlassenen Injektions-stellen0

3,_203. Kontrolle der Drogenfreiheit durch Urinprobenanalysen

Bei jedem Klienten werden während der Entzugsphase zwei Urinproben gemacht. Der Zeitpunkt der Urinproben ist dem Klienten unbekannt und wird zu Beginn des Entzugs nur der Stationsschwester mitge­teilt.

Bei der Abnahme von Urinproben sollte man unbedingt die Urinabgabe auf der Toilette direkt überwachen, da sonst die Gefahr besteht, dass der Urin vom Klienten ausgewechselt wird»

Der Urin sollte im Stationszimmer möglichst kühl (Eisschrank) und höchstens einen Tag aufbewahrt werden, bis er in einem Spezial-labor (Gaschromatographie) untersucht wird«

33e3, Verhalten bei Rückfallverdacht und festgestellten Rückfällen

Erste Anzeichen dafür, dass sich ein Rückfall anbahnt oder schon geschehen ist, kann man oft daran feststellen, dass der Klient öfters die Station verlässt, ohne sich vorher beim Arzt oder der Schwester/Pfleger abzumelden«,


- 25 -

Weiterhin bei einem plötzlichen Verschwinden der Entzugssymptome, oder wenn beim Klienten Drogenutensilien wie Säure, Löffel, Spritze, Kerze oder Medikamente etc. gefunden werden<,

Stellt der Arzt frische Einstichstellen fest, ist ebenfalls mit hoher Sicherheit ein Rückfall eingetreten. In diesen Fällen sollte nicht lange mit dem Klienten diskutiert werden, sondern möglichst schnell der betreuende Psychologe benachrichtigt werden und mit ihm zusammen der nächste Schritt beraten werden

Name und Telefon-Nummer der betreffenden Psychologen sollen im Stationszimmer aushängen.

3o3c4_o Allgemeine internistische Untersuchung

Während des Entzugs sollte eine gründliche internistische Durch­untersuchung mit Laboruntersuchung (Australia-Antigen), Röntgen Thorax (Tbc) sowie eventuell Magenbreipassage und Leberblindpunk­tion durchgeführt werden.

Zusätzlich dazu empfiehlt sich eine gynäkologische bzw. dermato­logische Untersuchung auf Lues, Gonorrhoe, Soor, Trichomonaden und Adnexitis.

Eine Gebiss Sanierung durch den Zahnarzt hat sich ebenfalls stets als notwendig erwiesen.


 


IVo   Literaturhinweise


- 26 -

1,Deutschsprachige Literatur zur klinischen Entzugsbehandlung jugendlicher Rauschmittelabhängiger

Daunderer, M, s Akute Intoxikationen»

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Daunderer, M. ; Akute Intoxikationen.

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Daunderer, M. t Kerscher« M und Bühringer, G,; Entgiftung jugend­licher Drogenabhängiger in einem Allgemeinkrankenhaus, Med. Klin. , 69, 1974, S. 1329 - 1332.

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Dejgkwitz, R« ; Leitfaden der Psychopharmakologie.

Wissenschaft!. Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 1967.

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Holzgreve_ , W. : Stationäre Behandlung Suchtkranker 1971 In: Arztl. Praxis 24, 1972, S0 2 - 80

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Kielholz, O.,D. Ladewig : Über Drogenabhängigkeit bei Jugend­lichen« Deut. Med, Wschr0 95, 1970, S. 101 - 1050


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Kielholz, P.; Probleme der Disposition zur Drogenabhängigkeit. In: Arztl. Praxis 35, 1972, S0 1925 - 1928 .

Kielholz P. und Ladewig, D. ; Die Drogenabhängigkeit des modernen Menschen.

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Pöldinger , W. ; Psychiatrische Notfallsituationen bei Drogen­abhängigen. Monatskurse ärztl. Fortbildung 21, 1971, S0 189 - 191

Schmidt . E. ; Behandlung und Rehabilitation Drogenabhängiger. In; Ärztl. Praxis 73, 1972, S. 3371 - 3376.

Schönhöfer,P.: i Was wissen wir über Opiate. In: Drogen-Report 8, 1973, S. 4 - 9.

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In: Saar l . Ärzteblatt 24, 1971, S. 539.

Wanke, K. , Süllwold, L« und Ziegler, B.: Jugend und Rauschmittel - Prävention, Therapie und Rehabilitation. In: Rehabilitation, 23, 1970, S. 55.


- 28 -

2.Deutschsprachigei Literatur zur verhaltenstherapeutischen Behand-

lung jugendlicher Drogenabhängiger

Brengelmann, J.C.: DieTherapie der Rauschmittelabhängigkeit,

In: Brengelmann, J.C. und Tunner, W.; (Hrsg); Bahaviour-Therapy-

Verhaltenstherapie.

Urban & Schwarzenberg Verlag, Müchen, 1973, S« 75 - 85

Dilling. H«, Rosefeldt, H., Kockott, G. und Heyse, H,; Verhaltens-

therapie bei Phobien, Zwangsneurosen, sexuellen Störungen und Süchteno

Int Fortsehr, der Neurologie, Psychiatrie und Grenzgebiete, 1971, 39 (6), S, 293 - 344.

Ferst!, Rund Kraemer, S?; Alkoholismus, Drogenabhängigkeit, Über-

gewicht und Rauchen - Verhaltensanalyse und Verhaltenstherapie, Fortschritte der klinischen Psychologie, Verlag Urban & Schwarzen­berg, München, 1976«

Heinemann« G,, Sproedt, K.W., Vaitl, D und Vogt, I«; Mehrdimensio-

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Ins Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 1974,

23 (8), S. 292 - 2990

Lange. K.-J.s Süchtiges Verhalten« Analyse der Entstehung - Therapie

aus lernpsychologischer Sicht. Lambertus Verlag, Freiburg, 19740

Wormser,R.: Verhaltenstherapie bei Drogenabhängigen» Ins Petzold: (Hrsg.): Drogentherapie, Verlag Junfermann - Hoheneck, Paderbom, 1974.

Seheidt, _J. v.: ( Hrsg.): Die Behandlung Drogenabhängiger., Nymphenburger Verlagshandlungy München, 1974.


- 29

>0 Einführende Literatur in die Verhaltenstherapie

Blöschl,L.: Grundlagen und Methoden der Verhaltenstherapie.

Verlag Hans Huber, Bern, 1969

Brunner, V. und Welter-Enderlin, R0: Verhaltenstherapie in der

Sozialarbeit.

Schriftenreihe des Schweizerischen Berufsverbändes der Sozial­arbeiter, Heft 12, Bern, 1973.

    HALDER; p: .Verhaltenstherapie   

    Verlag Kohlhammer, Tb0 Nr: 173, 1973

    HOFFMANN;N. und Freese, M0; Verhaltenstherapie in der Sozialarbeit /

Theoretische Einführung «

Otto Müller Verlag, Salzburg, 1975 .

     Holland J.G. und Skinner , B . F. :   Analyse des Verhaltens.

Verlag Urban & Schwarzenberg , München, 197l.

    Kanfer, F. H. und PHILIPS;J.S: : Lerntheoretische Grundlagen der

Verhaltenstherapie ,

Kindler Verlag, München, 1975.


  


 Meyer, V. und Cheeser, E.S.: Verhaltenstherapie in der klinischen

Psychiatrie,,

Thieme Verlag, Stuttgart, 197l.

Skinnert B0F0: Wissenschaft und menschliches Verhaltene

Kindler Verlag, München, 1973.

 Watson..D, Hp und Tharp, R0G.; Einübung in Selbstkontrolle / Grund-

lagen und Methoden der Verhaltensänderung, Pfeiffer Verlag, München, 1975.

Wolpe, J._; Praxis der Verhaltenstherapie. Verlag Hans Huber, Bern, 1972,


V.Anhang

-     Behandlungsvertrag

-     Verhaltensvertrag (Form A)

-     Verhaltensvertrag (Form B)


Der Behandlungsvertrag

Der Behandlungsvertrag wird nach Überprüfung der Aufnahmekriterien durch den Therapeuten und nach der Entscheidung des Klienten» an dem Therapieprogramm teilzunehmen, von beiden Vertragspartnern un­terzeichnet.

Der Verhaltensvertrag (Form A)

Dieser Verhaltensvertrag tritt mit Beginn der Kontrollphase in Kraft und wird für jede Therapiestufe neu vorgegebene

Die für diesen Teil des Therapieprogramms spezifischen Anforderungen, Aufgaben und Sanktionen werden zwischen Therapeut und Klient fest­gelegt und durch die Vertragsunterzeichnung besiegelt. Der Verhaltensvertrag (Form A) wird bis zur Beendigung der Entzugs­phase vorgegeben.

Der Verhaltensvertrag (Form B)

Dieser Verhaltensvertrag gilt für die Verhaltens- und Nachsorge­phase o

Die Vorgabe und das Festlegen der Vertragsbedingungen geschieht ebenso wie bei dem Verhaltensvertrag (Form A)0

Die Anforderungen9 die dieser Verhaltensvertrag (Form B) an das Ver­halten der Klienten stellt, werden in etwa auf den zu bewältigenden Aufgabenbereich der letzten beiden Phasen des Therapieprogramms ab­gestimmt o


BEHANDLUNGSVERTRAG

Dieser Vertrag wird zwischen

Herrn, Frau.........................

und dem Mitarbeiter des Therapieprogramms

Herrn, Frau

geschlossen und gilt ab .....................................

für die Dauer des gesamten Therapieprogramms.

Vereinbarungen, die zusätzlich für einzelne Therapiestufen gelten, werden in den jeweiligen Stufenverträgen formuliert.

Herr, Frau .... o............................................

verpflichtet sich:

I. Von dem Termin ab, der zusammen mit dem Therapeuten festgelegt wird, drogenfrei zu bleiben. Die Drogenfreiheit wird durch regelmässige Urinproben überprüft.

Bei einem Rückfall gilt die Forderung, sofort einen Mitarbeiter des Programms telefonisch zu benachrichtigen und nicht zu den Gruppensitzungen des betreffenden Tages zu erscheinen.

Beim 1. Rückfall werden jeweils für den Einzelnen zusätzliche Massnahmen vereinbart.

Ab dem 2. Rückfall kann - bei Mehrheitsentschluss der Mitarbeiter des Therapieprogramms - der Ausschluss aus dem Programm er­folgen.

II. Sich am Therapieprogramm regelmässig und aktiv zu beteiligen.

III. Pünktlich zu den vereinbarten Behandlungsterminen zu erscheinen. Bei Verhinderung ist unbedingt ein Mitarbeiter des Programms vorher zu benachrichtigen.

Bei Nichteinhaltung der Verpflichtungen gilt folgendes:

a) Bei einer Verspätung von  5-10 Minuten sind DM  2,-

von 1O-2O Minuten sind DM  5,-

und von mehr als             20 Minuten sind DM 10,-

zu bezahlen.

b)  Bei einem unentschuldigten Fehlen müssen DM 2O,- gezahlt
werden.

c)  Beim zweiten unentschuldigten Fehlen erfolgt der Ausschluss
aus dem Programm.

Über die Verwendung des Geldes wird in gegenseitigem Einvernehmen in der Gruppe entschieden.

IV. Alle auftretenden Konflikte und Schwierigkeiten sofort und offen mit dem Therapeuten zu besprechen.


VERHALTENSVERTRAG  STUFE .....


FORM A


 


De

Herr  

                          
Vertrag wird geschlossen zwischen

 

und dem Mitarbeiter desTherapieprogramms


Herrn, Frau


und gilt für die Zeit vom .............. bis


Herr, Frau


ve

rpflichtet sich zur Einhaltung folgender

Be dingungen


Bei Nichteinhaltung^ der Verpflichtungen gilt folgendes


 


 


Zum regelmässigen und genauen Führen folgender Diagramme und Listen:

I.  Zum Ausfüllen folgender Fragebögen/ Tests:

II. Die Abschnitte......................

der programmierten Anleitung durchzu­arbeiten und sich mit aufgetretenen Fragen an einen Mitarbeiter zu wenden.

V.  Sich um Ausbildungs- oder Arbeitsmölichkeiten zu bemühen


VERHALTENSVERTRAG  STUFE .


FORM B


Der Vertrag wird geschlossen zwischen

Herrn, Frau .................

und dem Mitarbeiter des Therapieprogramms

Herrn, Frau .*«.....•••••**••«••»•«*••••«••<

und gilt für die Zeit vom .............. bis

Harr, Frau ...........*.........«............

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

verpflichten sich zur Einhaltung folgender

Bei Nichteinhaltung der

Verpflichtungen gilt

Bedingungen

folgendes

T

 

Sc-

I.   Zum regelmässigen und genauen Führen folgender Diagramme und Listen:

 

 

II. Folgende Verhaltensvereinbarungen ein­zuhalten

 

 

 

 

 

 

 

DU. Pünktlich zu den vereinbarten Behand­lungsterminen zu erscheinen.

 

 

IV. Regelmässig zur Arbeit bzw. zur Schule gehen. Bei auftretenden Schwierigkeiten, Kündigung der Arbeitsstelle oder Ab­bruch der Ausbildung» sofort einen

 

Mitarbeiter darüber zu informieren.

 

 

J

Sind in dem folgenden Zeitraum alle Vertragsbedingungen erfüllt, er­folgt die Übernahme in die nächste Behandlungsstufe.