Dioxine

 

Toxikologische Einzelstoffinformationen

Sonderdruck aus

Handbuch der Umweltgifte

ISBN 3-609-71120-5

© 1990 ecomed Verlagsgesellschaft mbh, Landsberg

Justus-von-Liebig-Str. l, 8910 Landsberg/Lech

Telefon: (0 81 91) l 25-0; Telex: 5 27 114 moin d, Telefax: (0 81 91) l 25-4 75

Verfasser: Dr. med. Dr. med. habil. Max Daunderer


                                                                                                                

Symptome

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Symptome einer akuten TCDD-Intoxikation beim Menschen:

-    Wirkungen auf die Haut; *                                                        .        ,., .',

1.          Chlorakne                                                                    t, , , .

2.    Hyperkeratose

3.    Hyperpigmentation (schwarze Haut)

4.    Hirsutismus                                                                 ,                                                   \ ..     „,

-    Systemische Wirkungen:

1.          Leberschädigung (Fibröse, Porphyria cutanea tarda)

2.    Anstieg von Transaminasen im Blut (Gamma-GT)

3.    Erhöhung der Blutfettgehalte

4.    Erhöhung des ChoIesterinspiegeJs im Blut

5.    Intestinale Störungen mit Durchfallerscheinungen (Erbrechen, Fettunverträglichkeit)

6.    Kardiovaskuläre Effekte, Entzündungen im Harntrakt

7.          Schädigung des Immunsystems (Atrophie des lymphatischen Gewebes, Thymus)

8.    Panzytopenie (Thrombozytopenie, Blutungen).

-    Neurologische Störungen:

1.          Libidoverlust, Impotenz    . -                                                               ,

2.  Kopfschmerzen                                          ,,    ,

3.    Periphere Neuropathien (Schwäche und Gefühllosigkeit in den Extremitäten)

4.    Beeinträchtigung sensorischer Leistungen (Abnahme der Sehschärfe und des Gehörvermögens).

-    Psychiatrische Störungen:                                                     :    .

Übererregbarkeit, Nervosität, Schlaflosigkeit, Änderung der Persönlichkeitsstruktur, Depression, Sui­zide (Zoper). Dioxine rufen schon an der Nachweisgrenze Immunschäden hervor.'

Nachweis

Die Analytik der Dibenzodioxine und Dibenzofurane ist außerordentlich schwierig. Einerseits müssen die insgesamt 210 sehr ähnlichen Isomere getrennt werden, andererseits sind noch Spuren im Bereich in l ppt (per trillion = l ng/kg) aufgrund der extrem hohen Toxizitäten einzelner Isomeren von Relevanz und müs­sen daher nachgewiesen werden. Praktische Durchführung:

Nach einer Reihe von Trennungs- und Anreicherungsschritten, bei denen fast immer die Gaschromatogra­phie zum Einsatz kommt, erfolgt die Detektion mit der Massenspektrometrie. .

Eine umfassende Untersuchung aller Isomere, auch in Spuren, kann derzeit nur an wenigen deutschen Insti­tuten durchgeführt werden.

Risikobewertung

ßundesgesundheitsamt und Umweltbundesamt haben am 17. und 18, Januar 1990 eine fachöffentli­che Anhörung zu Dioxinen und Furanen durchgeführt. Die Auswertung der z.T. sehr kontroversen Stel­lungnahmen von Sachverständigen und Verbänden zur gesundheitlichen und umweltbezogenen Be­wertung dieser Stoffe wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Dies beruht u.a. darauf, daß Informa­tionen aus laufenden, noch nicht abschließend ausgewerteten oder noch1 nicht in der wissenschaftlichen Literatur publizierten Untersuchungen in eine gesundheitsbezogene Neubewertung einbezogen werden sollen.

Erste Ergebnisse der Anhörung lassen sich dennoch schon jetzt festhalten:

1.        Die neueren Meßdaten zur Dioxinbelastung von Lebensmitteln zeigen keine gesundheitliche Gefähr­dung. Die Belastung von Muttermilch weist aber Werte auf, bei denen der erforderliche Sicherheitsab­stand zu einer bedenklichen Dosis nicht gewährleistet ist, wie er für andere Schadstoffe gefordert wird.Auch dies stützt die Forderung, die Emissionen von Dioxinen und Furanen in die Umwelt und damit in die Nahrungskette zu minimieren. Selbst konsequente Minimierungsmaßnahmen lassen allerdings nicht erwarten, daß die Belastung des Menschen durch Dioxine und Furane kurzfristig wesentlich ver­ringert wird.

2.        Zur Diskussion über die von BGA und UBA 1985 als duldbar bezeichnete tägliche Aufnahmemenge
von 1-10 Pikogramm Dioxinäquivalenten pro Kilogramm Körpergewicht sind in der Anhörung neueAspekte eingebracht worden. Die anstehenden Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung sollten jeden­ falls dazu beitragen, die Belastung auf unter l Pikogramm abzusenken.

Weitere Bewertungen soll das BGA noch in diesem Jahr nach fachöffentlicher Diskussion weiterer epi­demiologischer Untersuchungen vornehmen.

Die gegenwärtige durchschnittliche Grundbelastung in der Bundesrepublik Deutschland ist nach der Anhörung mit l bis 2 Pikogramm anzunehmen.

3.    Dioxinanalytik ist wichtig, aber aufwendig und teuer, die Kapazitäten sind begrenzt, auch muß Doppel­
arbeit vermieden werden. Unabgestimmtes Vorgehen führt zu Einzelwerten, die sich nur bedingt zu
aussagekräftigen Gesamtergebnissen über die Belastung von Menschen und Umwelt zusammenführen
lassen. BGA und UBA sehen nach den Erfahrungen in der Anhörung eine wichtige Aufgabe darin, die
zahlreichen Dioxinuntersuchungen in der Bundesrepublik Deutschland zu koordinieren und fordern
alle Wissenschaftler und Institutionen auf, ihre Ergebnisse regelmäßig auszutauschen.

4.    Produkte, die Chlor enthalten, können bei der Verbrennung Dioxine und Furane freisetzen. Einer der
wichtigsten Eintragspfade in Umwelt und Nahrung ist die Produktion und Entsorgung von chlororga­
nischen Stoffen. BGA und UBA appellieren an die betroffene Industrie, Umweltbelastungen aus der
Chlorchemie drastisch zu vermindern und auf weniger kritische Verfahrenstechniken und Produkte
überzugehen. Bestimmte Zusätze zu verbleitem Benzin und bestimmte PVC-haltige Verpackungen z.B.
sind vermeidbare Quellen für die Freisetzung von Dioxinen.

5.    Der Verbraucher kann durch gezielten Kauf und Verwendung anderer als chlororganischer Produkte zur
Verringerung der Dioxinbelastung beitragen. Voraussetzung ist eine Aufklärung über die Produkte, bei
deren Herstellung oder Entsorgung in erheblichem Umfang Dioxine entstehen. Daher wird über Kenn­
zeichnungsvorschriften, die Hinweise zu Entsorgungsproblemen von Produkten betreffen, nachzuden­
ken sein.

6.          Die in der Anhörung befragten Wissenschaftler waren sich einig, daß die Belastung der Umwelt durch Dio­
xine in Industriestaaten zu hoch ist. Dioxine aus der Verwendung halogenhaltiger Produkte und Dioxin­
quellen aus industrieller Tätigkeit haben zu einer allgemeinen Grundbelastung geführt. Einzelne Stand­
orte und größere Flächen sind z.T. in extrem hohem Umfang durch diese toxischen Verbindungen belastet
worden. Die Anhörung bestätigte, daß je nach Belastungsgrad Maßnahmen in unterschiedlichem Umfang
- von Anbauempfehlungen und Flächenumwidmungen bis hin zu Nutzungsbeschränkungen und Dekon­
taminationen — für die Sanierung dieser Böden erforderlich sind.

7.    Daneben muß sichergestellt werden, daß sich die weiträumige Verteilung der Dioxine in der Umwelt nicht
noch weiter erhöht. Die Belastung von Menschen und Umwelt durch Dioxine sowohl in industriellen Bal­
lungsgebieten als auch im ländlichen Raum läßt sich nur vermindern, wenn weitere Maßnahmen ergriffen
werden, um den Dioxineintrag in die Umwelt drastisch zu verringern. Bei der Anhörung der Experten wur­
den die Quellen in ihrer Bedeutung umrissen, die nach derzeitigem Kenntnisstand zur Belastung der Um­
welt fuhren.

Es zeigte sich, daß neben den bereits bekannten Verursacherbereichen (Produktion und Verwendung von chlororganischen Stoffen, Altmetallgewinnung, Abfallverbrennung, Verwendung von bleihaltigem Ben­zin, anderen thermischen Prozessen, Ausbringung von Klärschlamm, Chlorbleiche von Papier- und Zellstoff) das Auftreten weiterer wesentlicher Emittenten nicht wahrscheinlich ist. Die Suche nach den Quellen für die Innenraumluftbelastung ist dagegen noch erheblich zu verstärken.

8.   Bei der Anhörung hat der vom Bundesumweltminister genannte Emissionsgrenzwert für Müllverbren-
nungssanlagen von 0, l Nanogramm Dioxinäquivalenten pro Kubikmeter breite Zustimmung gefunden. An
diesem Wert haben sich andere Emissionsminderungsmaßnahmen zu orientieren. UBA und BGA werden
nunmehr auf Grund der vorgetragenen wissenschaftlichen Erkenntnisse MinJmierungsstrategien erarbei­
ten, die von allgemeinen Empfehlungen bis zu Vorschlägen für ordnungsrechtliche Eingriffe reichen werden.

BGA-Presseerklärung vom 19. Januar 1990

Literatur

ABEL,J.:2,3,7,8-TCDD-Intoxikation beim Menschen. VDI-Berichte 634,487-501 (1987)

abel, J., ballschmitter, K., forth, W., huffmann, G., lehnert, G., neubert D., schlatter, gh., schlipkö-

ter, H. W., schulz, K. H., thofern, E.: Polychlorierte Dibenzodioxine und polychlorierte Dibenzofurane.

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