DEMENZURSACHEN

 

Demenzursache

Wesentliche Kennzeichen

Alzheimer Krankheit

   Häufigste Ursache eines Demenzsyndroms

   Langsam progredienter Verlauf

   Typischerweise Gedächtnisstörung und Störungen der räumlichen Orientierung und Visuokonstruktion

   Atypische Verläufe mit führender Sprachproduktionsstörung möglich

   In frühen Stadien typischerweise affektive Beteiligung oder depressives Syndrom

   Persönlichkeitszüge relativ lange erhalten

   Keine typische Neurologie

   Typischer Erkrankungsbeginn nach dem 65. Lebensjahr, Einzelfälle auch bereits in der 4. Lebensdekade beschrieben

Frontotemporale Degeneration

   Sammelbegriff verschiedener neuropathologischer Veränderungen mit Lokalisation im Frontal- und Temporallappen

   Typischer Erkrankungsbeginn in der fünften und sechsten Lebensdekade

   Verlauf stetig progredient

   Typischerweise führende Wesensänderung mit Enthemmung oder Apathie und/oder Sprachproduktions- oder
     Sprachverständnisstörung

   Typischerweise neurologische Enthemmungszeichen

   Häufigste Ursache eines demenziellen Syndroms vor dem sechzigsten Lebensjahr

   Keine etablierte Behandlung, Behandlungsversuch mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern möglich

Lewy-Körperchen-Erkrankung

   Wahrscheinlich zweithäufigste neurodegenerative Ursache eines Demenzsyndroms im Alter über 65 Jahre

   Typischerweise Konstellation eines Demenzsyndroms mit Rigor-betontem Parkinson-Syndrom und anderen
     psychiatrischen Symptomen, insbesondere visuellen Halluzinationen und Wahninhalten

   Verlauf tage- oder auch wochenweise fluktuierend

   Diagnoseunterstützend sind rezidivierende Stürze ohne erkennbare Ursache

   Cave: Neuroleptika-Unverträglichkeit, schlechtes Ansprechen auf L-Dopa

   In der Regel sehr gutes Ansprechen auf Cholinesterase-Hemmstoffe

Parkinson-assozierte Demenz

   Morbus Parkinson mit nachfolgender Ausbildung eines Demenzsyndroms, insbesondere mit psychomotorischer
     Verlangsamung und Beeinträchtigung geschwindigkeitsabhängiger kognitiver Leistungen

   Neuropathologisch von einer Lewy-Körperchen-Erkrankung nicht zu unterscheiden

   Typischerweise gutes Ansprechen der Bewegungsstörungen auf L-Dopa, ein Behandlungsversuch mit
    
Cholinesterase-Inhibitor kann im Sinne eines Heilversuches unternommen werden

Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung

   Übertragbare Demenzerkrankung wahrscheinlich verursacht durch infektiöse Proteine (Prionen)

   Inzidenz: Ein pro eine Million pro Jahr

   Extrem rascher Krankheitsverlauf, führt innerhalb von ein bis zwei Jahren von völliger Gesundheit zum Tode

   Typische EEG- und MRT-Zeichen in etwa 70 Prozent der Fälle positiv

   Spezifischer, aber relativ wenig sensitiver Liquorbefund des 14-3-3-Proteins

   Typische neurologische Zeichen sind Myoklonien, Gangstörungen, vegetative Entgleisungen, aber im Frühstadium nicht
    
zwingend vorhanden

   Autosomal dominant vererbliche Sonderformen (Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom, fatale familiäre Insomnie)

Vaskuläre Demenz

   In Reinform wahrscheinlich nur in 10 bis 20 Prozent Ursache eines demenziellen Syndroms, aber in etwa 30 Prozent der
     Fälle in Kombination mit Alzheimer Krankheit auftretend
   Folge (i) eines einzelnen oder einiger weniger strategischer Infarkte, (ii) eines Multiinfarktsyndroms mit zahlreichen
    
kleinen Infarkten oder (iii) einer zerebralen Mikroangiopathie mit chronischer Ischämie ohne deutliche Infarktzeichen

   Auftreten kognitiver Beschwerden typischerweise in zeitlichem Zusammenhang mit einem Schlaganfallereignis,
     schrittweise progredient und Hinzutreten neurologischer Fokalzeichen

   Neben Gedächtnisveränderungen häufig Beeinträchtigung geschwindigkeitsabhängiger kognitiver Leistungen sowie
    
zusätzliche psychopathologische Syndrome, zum Beispiel Affektlabilität
   Behandlung: Behandlung wesentlicher zerebrovaskulärer Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie und Diabetes mellitus.
   
Behandlungsversuch mit einem Cholinesterase-Inhibitor kann angesichts der häufigen Komorbidität mit der Alzheimer
   
Krankheit unternommen werden

Normaldruck-hydrozephalus

   Trias aus Gangstörung, Inkontinenz und Demenz

   Sicherung der Diagnose durch Bildgebung und (wiederholte) Liquorablassversuche

   Behandlung: Ventrikulärer Shunt zur dauerhaften Liquorableitung

Sekundäre Demenzursachen

   Zahlreiche Stoffwechselerkrankungen, insbesondere Schilddrüsenfunktionsstörungen, zerebrale Raumforderungen,
     paraneoplastische Prozesse oder Medikamentennebenwirkungen (Kortison, trizyklische Antidepressiva, anticholinerge
     Substanzen) können ein demenzielles Syndrom auslösen, das nach Beseitigung der Ursache wieder reversibel ist


Quelle:
Dr. Stefan Teipel, Privatdozent Dr. Harald Hampel, Bayerisches Ärzteblatt 9/2005, Seite 553