CONTERGAN die größte Medizinblamage nach Amalgam

 

Zum ersten Mal wurde ich mit der Frage einer chronischen Vergiftung konfrontiert als eine Patientin meines Vaters, die sich stets Contergan verschreiben ließ, ihn fragte, ob sie ein missgebildetes Kind bekommen könnte. Sie legte ihm einen Artikel einer Frauenzeitschrift vor. Darin beschrieb der Kinderarzt Dr. Lenz, dass er bei 2 seiner Patientinnen beobachten musste, dass sie Kinder zur Welt brachten, die statt Armen nur kurze Stummel hatten. Er glaubte nicht an Zufall. Beide Frauen hatten in der Frühschwangerschaft nur 1 Mal eine Tablette Contergan zum Schlafen geschluckt.

 

Beiläufig erzählte mein Vater dies am Mittagstisch meiner Mutter, so wie alle Patientenprobleme besprochen wurden. Er habe die Patientin daraufhin gefragt, ob sie nicht vorsichtshalber auf ein anderes Mittel umsteigen wolle, sie entgegnete, dass sie es versucht hatte, aber nur dieses Mittel helfe ihr und sei völlig ohne Nebenwirkungen. Daraufhin verschrieb er ihr es erneut. Als meine Mutter, die praktizierende Kinderärztin war und früher Chefärztin einer Münchener Kinderklinik war, dies hörte tobte sie und schrie: „Bist du wahnsinnig? Beim geringsten Verdacht auf eine mögliche Missbildung lässt man alles das weg, was geht; wenn was passiert, kommst du ins Gefängnis. Tagelang ging dieser Streit weiter. Mein Vater meinte: „Wenn ich es nicht verschreibe, geht sie zum nächsten Arzt.“ Früher hatten Hausärzte die moralische Pflicht, alle Kranken in ihrem Einzugsbereich optimal zu versorgen. Neugierig fragte ich bei beiden Streitparteien immer wieder nach, wie man eine Lösung finden könnte. Keiner wusste Rat.

 

Da sah ich in der Roten Liste für Arzneimittel nach. Nichts stand da von irgendwelchen Gefahren. Als kleines Kind rief ich dann bei der Herstellerfirma Grünenthal an, die in München war. Man verband mich mit dem wissenschaftlichen Leiter. Da ich seit dem 6. Lebensjahr das Praxistelefon bediente und mich als mein Vater ausgab, merkte niemand den Dreikäsehoch. Dort wurde mir erzählt:

 

„Contergan ist der Marktführer. Obwohl erst 2 Jahre auf dem Markt, ist es schon millionenfach bewährt. Tierversuche haben eindeutig bewiesen, dass es nicht in der Schwangerschaft schade, dass es nicht teratogen (Fehlbildungen auslösend) sei. Missbildungen seien eben häufig und es gäbe viele andere Ursachen für Missbildungen. Außerdem sei dieser Dr. Lenz ein Jude und ein absoluter Einzelgänger. Kein anderer Arzt in der ganzen Welt habe je eine solche Beobachtung gemacht.“

 

Ich war völlig beruhigt. Nur meine Mutter ließ sich nicht beruhigen. Sie wetterte immer weiter, die denken doch nur ans Geld. Dies ist ein absoluter Verkaufsschlager. Wer will nicht eine tolle Schlafpille? Frauen dürfen sie aber auf keinen Fall erhalten. Tierversuche sind eben nicht voll auf den Menschen übertragbar.

 

Vater gab nach und verschrieb der Patientin beim nächsten Termin ein anderes Schlafmittel und sagte ihr, er korrespondiere mit der Herstellerfirma. Ich schrieb dann an Grünenthal einen Brief, Vater unterschrieb. Es kam ein dicker Packen wissenschaftlicher Literatur, der alle etwas zu beruhigen schien.

 

Sehr viel später erfuhren wir: Die Patientin wechselte den Arzt und ließ sich Contergan von einem anderen verschreiben. Ihr Mann war ein impotenter Alkoholiker, nach der Scheidung und dem Verbot von Contergan bekam sie ein gesundes Kind.

 

In Deutschland gab es etwa 10.000 Missbildungen durch Contergan, die meisten erst nach der ersten Veröffentlichung.

 

Der Kinderarzt durfte seine Beobachtung nicht in Fachblättern veröffentlichen, sonst hätten die Pharmafirmen ihre Inserate zurückgezogen, von denen die Blätter lebten.

 

 

Außerhalb Deutschland-West gab es noch weitere 10.000 Missbildungen. Die Ratten-Rasse war immun gegenüber Missbildungen. Beim anschließenden Prozess gegen Grünenthal wurde die Firma von einem Staranwalt vertreten, der eine Revision beim Bundesgerichtshof ankündigte. Er war der Herausgeber des Handbuches der Strafverteidiger und kannte alle Tricks. Es kam dann zu einem lächerlichen Vergleich. Die eigentlichen Folgekosten übernahm der Staat.

 

Niemand hat etwas aus diesem Fall gelernt.

 

Nur mein Vater machte sich zur Regel: In den ersten 2 Jahren setzte er kein neues Arzneimittel mehr ein. Später stellten wir fest, dass wir dadurch etwa 80 % aller neuen Arzneimittel nie verwenden durften, da sie nach dieser Zeit wegen schwerer Nebenwirkungen, die im Tierversuch nicht sichtbar wurden, wieder vom Markt kamen.

 

Später siegte ich gegen diesen Staranwalt im „Holzschutzmittel-Prozess“.