Metalle wie Quecksilber, Gold, Nickel, Kobalt, Palladium, Platin oder Silber können Autoimmunerkrankungen auslösen

Labordiagnostik der Quecksilber- und Dentalmetall-Sensibilisierung

 

EINLEITUNG

Einige Metalle wie Eisen, Kupfer oder Zink sind in relativ hoher Konzentration essentielle Mineralstoffe. Andere wie Kobalt, Nickel, Chrom, Aluminium oder Vanadium sind in geringer Konzentration essentielle Spurenelemente, in ho­her Konzentration jedoch ebenso wie viele nichtessentielle Schwermetalle (Quecksilber, Palladium, Gold, Silber) toxisch. Alle Metalle können konzentrationsunabhängig - weit unterhalb toxischer Konzentrationen - immuntoxisch wirken. Metalle werden über die Nahrung aufgenommen, am Arbeitsplatz inkorporiert oder über Atemwege und Haut aus der Umwelt angereichert. Aus diesen Quellen resultiert eine erhebliche Grundbelastung der Bevölkerung in den westlichen Ländern, die jedoch meist nicht als gesundheitlich bedenklich erachtet wird. In den letzten Jahren wird der Beitrag von Schwermetallen aus der Umwelt und vor allem die Freisetzung von Quecksilber aus Zahnamalgam zu­nehmend kritisch diskutiert. Heute gilt als gesichert, daß Quecksilber ebenso wie andere Metalle aus Dentalimplanta­ten freigesetzt wird und daß insbesondere Dental-Quecksilber maßgeblich zur Belastung der Bevölkerung beiträgt. Umstritten ist jedoch in hohem Maße, ob diese Belastung gesundheitlich relevant ist und toxische Qualität erreicht. Neben der Toxizität wird die Immuntoxizität von Quecksilber und anderen Dentalmetallen bisher kaum beachtet. Seit langem Ist bekannt, daß Metalle, darunter auch praktisch alle in Zahnlegierungen verwendeten Metalle, in mehrfa­cher Hinsicht ein erhebliches immuntoxisches Potential besitzen:

 

(1) Auslösung spezifischer Sensibilisierungen/Allergien,

(2) Induktion von Autoimmunreaktionen und

(3) Hemmung der zellulären Immunabwehr.

 

à  Das hohe Sensibilisierungspotential von Übergangselementen wie Nickel, Cadmium, Kobalt, Chrom, Gold oder Palladium, seltener auch von anderen Schwermetallen wie Silber, Kupfer, Aluminium oder Titan ist bekannt. Kontakt­reaktionen gegenüber Metallen (Nickel, Gold, Palladium) zählen zu den häufigsten im Epikutantest nachweisbaren Sensibilisierungen überhaupt. Die meisten Metallallergien entsprechen Sensibilisierungen vom verzögerten Typ IV (Kontaktdermatitis), die klassischen Allergien vom IgE-vermittelten Soforttyp I kommen kaum vor. Die in der Zahn­heilkunde verwendeten Metalle sind durchweg der Gruppe mit hohem Sensibilisierungspotential zuzurechnen.

 

à  Metalle wie Quecksilber, Gold, Nickel, Kobalt, Palladium, Platin oder Silber können Autoimmunerkrankungen hervorrufen. Hohe Quecksilberbelastung z.B. die Autoimmun-Glomerulonephritis mit Proteinurie, verbunden mit Au- toantikörpern gegen nukleare Antigene (ANA), nukleoläre Antigene (Fibrillarin) oder gegen Basalmembranproteine (Laminin).

 

à  Unabhängig von ihrem Sensibilisierungspotential beeinflussen Quecksilber, Nickel, Kobalt oder Gold zahlreiche Funktionen der spezifischen und unspezifischen Immunabwehr. Zu den eingehender untersuchten Wirkungen zählt u.a. die Hemmung der Phagozytoseaktivität, Hemmung der T-Zellaktivierung und -proliferation und Modulation der B-Zellfunktion bis zu polyklonaler B-Zellaktivierung in hoher Konzentration.

 

Zur Zeit werden in der Routinediagnostik ausschließlich die Immuntoxischen Reaktionen in Gestalt allergischer Sen­sibilisierungen beachtet. Der Epikutantest ('Patchtest') ist hierfür das etablierte Testverfahren, das jedoch gerade bei Metallen falsch positiv und vor allem falsch negativ ausfallen kann. Aussagen über spezifische immuntoxische Reak­tionen anders als allergische Kontaktsensibilisierungen sind mit diesem Verfahren kaum möglich. In vitro Testverfah­ren, obwohl seit langem etabliert und für den Nachweis humoraler ebenso wie zellulärer Immunreaktionen geeignet, werden bisher selten eingesetzt. Spezifische in-vitro Testverfahren sind der klassische Lymphozytentransformati-onstest (LTT) oder neuere Verfahren wie die selektive Zytokinfreisetzung in vitro oder die Expression zellulärer Akti-vierungsmarker (CD69) auf definierten Immunzellen, die alle in unserem Labor routinemäßig zum Einsatz kommen.

 

TOXIKOLOGIE

Quecksilber: Dentalamalgam besteht zu ca. 50 % aus Quecksilber und zu maximal 35 % aus Silber, 10 - 15 % Zinn, 2 - 8 % Kupfer und 1% Zink. Weitere Metalle wie Cadmium, Palladium, Indium oder Platin können ebenfalls in geringen Konzentrationen enthalten sein. Aus Dentalamalgam werden kontinuierlich geringe Mengen an metalli­schem Quecksilber und anderen Legierungsmetallen frei (Kaugummitest). Die freigesetzte Metallmenge hängt in er­ster Linie von der Zahl der Amalgamimplantate, weiter von mechanischen Faktoren, Ernährungsweise, Temperatur, pH etc. ab. Metallisches Quecksilber gelangt auf Grund seiner hohen Flüchtigkeit vorwiegend über die Atemwege in die Lunge, wo es zu ca. 80% resorbiert wird. Weiteres Quecksilber kommt als gelöstes metallisches Hg, Abriebparti­kel, oder ionisiertes Hg2+ nach Korrosion in den Verdauungstrakt, von wo ein geringer Teil in der Größenordnung von 7-20% resorbiert wird. Im Verdauungstrakt wird Quecksilber teilweise in das erheblich toxischere Methyl-Hg umge­wandelt, das vollständig aufgenommen und vor allem in Fettgewebe und ZNS angereichert wird. Schließlich kann Quecksilber auch direkt aus der Implantat-Umgebung in die Blutbahn gelangen. In die Blutbahn aufgenommenes metallisches Quecksilber wird u.a. durch oxidative Metaboliten aus Monozyten/Makrophagen zu zweiwertigem Quecksilber (Hg II) oxidiert.

Die Quecksilberzufuhr aus der Umwelt ist vergleichsweise geringer. Die tägliche Aufnahme über die Nahrung liegt bei 2-10 ug/die. Bei hohem Fischverzehr kann dieser Wert bis auf das 10fache ansteigen, da Hg in Fisch stark angerei­chert wird, überwiegend als Methyl-Hg (Verhältnis Methyl-Hg zu anorganischem Hg in Fisch ca. 6:1).

 

Tabelle 1: Tägliche Quecksilberaufnahme (ug/die) nicht-beruflich exponierter Amalgamträger

                                                                 Atemwege                   Verdauungstrakt

Zahnamalgam

Inhalation            Hg-Dampf                     3.1 – 17                                   0

Verdauungstrakt Hg-Dampf                     ca. 3.5                                  3.9-5.6

Partikel                                                     ca. 2.3                                  ca. 2.3         

Umwelt        99% Methyl-Hg

 

Total                                                       8.9 - 22.8                              6.2-7.9

 

nach: S.Eneström and P.Hultman: Int.Arch.Allergy Immunol. 1995; 106:180-203

 

Quecksilber wird vorwiegend über den Stuhl ausgeschieden. Ein Teil der aufgenommenen Hg-Menge bleibt länger im Körper, wobei für einzelne Organe erhebliche Unterschiede bestehen. Die Hauptmenge (50-90%) des retinierten Quecksilbers wird in den Nieren deponiert, der Rest in Leber, Gehirn, Schilddrüse, Hypophyse, Pankreas und Ge­schlechtsorganen. Zumindest in einigen Organen wie Gehirn, Niere, endokrine Drüsen bleiben Restmengen von Quecksilber über Jahre angereichert (WH0, 1991). Nylander berichtete bereits 1987, daß Quecksilber in Niere und Gehirn hohe Konzentrationen erreicht, deren Höhe direkt mit der Zahl der Amalgamfüllungen korreliert. Drasch (1992) bestätigte Nylanders Ergebnisse. Drasch (1994) demonstrierte darüberhinaus, daß in fetalem Gewebe Quecksilber in Abhängigkeit vom Amalgamstatus der Mutter angereichert wird, sodaß bereits bei 6-10 Füllungen der Mutter normale Erwachsenenwerte erreicht werden. Damit sind letzte Zweifel beseitigt, daß ein erheblicher Teil der Quecksilberbelastung der Bevölkerung von Zahnamalgam ausgeht und die Höhe der Organbelastung unmittelbar mit der Zahl der Amalgamfüllungen korreliert (Zinke: Bundesgesundheitsblatt, 1994).

Die aktuelle Diskussion ist auf die Frage der Toxizität chronischer Quecksilberbelastung aus Zahnamalgam zentriert. Die Quecksilberkonzentrationen bei Amalgamträgern liegen in der Regel unter den arbeitsmedizinischen Grenzwer­ten. Der von der WHO empfohlene Grenzwert (WHO,1990;1991) der vorläufig duldbaren wöchentlichen Aufnahme­menge beträgt für Quecksilber 300 μg, davon maximal 200 μg Methyl-Hg. Bei einer täglichen Aufnahme über die Umwelt in Höhe von 6-10 μg und einem Quecksilberbeitrag aus Zahnamalgam in Höhe von 3.8-21 μg Hg/die nach WHO bzw. 10.5-26.1 μg/die (Tabelle 1) können bereits bis zu 80% des Grenzwertes erreicht werden. Bei einzelnen Betroffenen kann die Gesamtbelastung oder die Belastung einzelner Organe (Niere, Gehirn) noch weit darüber hin­ausgehen. Dazu kommt, daß alle Grenzwerte für zeitlich begrenzte Belastungen etabliert wurden, während bei Zahnamalgam eine chronische, u.U. Jahre andauernde Belastung gegeben ist. Konsequenterweise sind daher in den letzten Jahren auch in Deutschland die Anwendungsindikationen für Amalgamfüllungen eingeschränkt worden (Bundesgesundheitsblatt, 1992, 1994):

 

1. Bei Mädchen und Frauen im gebährfähigen Alter sollen Amalgamfüllungen nur dann erfolgen, wenn keine Alternativmaterialien angewendet werden können.

 

2. In der Schwangerschaft sollen keine neuen bzw. keine weiteren Amalgamfüllungen eingebracht werden.

 

3. Kontraindiziert sind Amalgamfüllungen ebenso bei Patienten mit schweren Nierenfunktionsstörungen und bei Kleinkindern.

 

Die toxischen Wirkungen von Quecksilber beruhen vor allem auf seiner Fähigkeit, wie andere Schwermetalle auch an SH-, OH-H2- und Cl-Gruppen zu binden. Dies führt u.a. zur Hemmung von zellulären Enzymreaktionen (Beispiel Glutathion-S-Transferase). Die Toxizität von Quecksilber wird vielfach auf seine Glutathion-hemmende Wirkung zu­rückgeführt. Die Symptome der chronischen Vergiftung entwickeln sich langsam, meist in Form eines Neu-romyasthenie-Syndroms: Gedächtnisstörungen, Müdigkeit, Tremor, Kopfschmerzen, Muskelschwäche, Gangunsi­cherheit, Depressionen, Hör- und Geschmacksstörungen. Eindeutige Zusammenhänge zwischen chronischer Bela­stung und klinischer Symptomatik sind bisher nicht gesichert.

 

Metalle: Dentallegierungen bestehen aus Gold mit unterschiedlichen Anteilen weiterer Metalle. Selbst hochwertige Goldlegierungen enthalten neben 70 - 90% Gold wechselnde Anteile Palladium, Silber, Platin, Kupfer, Gallium,. Sog. 'Spargold'-Legierungen setzen sich sogar aus bis zu 80% Palladium, 2 - 5% Gold, Silber, Kupfer, Gallium zusammen (Staehle,1994). Auch Chrom, Kobalt, Indium, Iridium, Ruthenium, Zinn und Vanadium kommen in Dentallegierungen zum Einsatz. In Keramikimplantaten ist außerdem Aluminium enthalten. Für die Verankerung von Implantaten wird üblicherweise Titan eingesetzt. Farbpigmente enthalten Cadmium oder Titan. Alle Materialien werden den Amalgam­komponenten vergleichbar freigesetzt, die Freisetzungskinetik und ihr toxikologisches Potential sind jedoch im Ver­gleich zu Dentalquecksilber kaum untersucht.

 

Toxikologische Labormethoden

Für die toxikologischen Analysen sind seit Jahren verschiedene Testverfahren etabliert. Der Kaugummitest mit Quecksilbermessung im Speichel hat sich für den Nachweis der Quecksilbermobilisation aus Zahnfüllungen als wert­voll erwiesen. Die Bestimmung der Quecksilberkonzentrationen im Blut oder Spontanurin ist bei chronischer Bela­stung nicht aussagekräftig. Die Messung der morgendlichen Quecksilberausscheidung oder der 24h-Ausscheidungs-rate wird dagegen als geeignet für die Risikoabschätzung der chronischen Quecksilberbelastung erachtet. Die größte Verbreitung hat der DMPS-Test mit forcierter Quecksilberausscheidung im 45 min-Urin, der einen sehr guten Anhalt für das Ausmaß der Hg-Organdepots liefert. Der Quecksilbernachweis im Haar ist ein wertvolles Verfahren, um die Langzeitbelastung (1-15 Monate) des Organismus zu erfassen, wird jedoch eher selten angewendet. Mit zuneh­mender Akzeptanz des Zusammenhangs von Amalgamstatus und Organbelastung haben die toxikologischen Verfah­ren jedoch auch an Bedeutung verloren, sind allerdings im Einzelfall für den Nachweis überdurchschnittlicher Quecksiberbelastung unverzichtbar.

 

 

IMMUNTOXIKOLOGIE

In tierexperimentellen Untersuchungen wurden vielfache immuntoxische Wirkungen von Quecksilberverbindungen nachgewiesen. Immunsuppressive Effekte, die mit erhöhter Infektanfälligkeit einhergehen, sind ebenso beschrieben wie immunstimulatorische Effekte mit Auslösung von Autoimmunreaktionen, wobei die Immunkomplexglomerulo-nephritis im Vordergrund steht. Quecksilber induziert in suszeptiblen Tierstämmen eine massive B-Zellaktivierung mit Bildung von Basalmembranantikörpern (Antilamlnin-Ak) und Immunkomplexen mit systemischer Ablagerung (Review: Eneström,1995). Die Autoimmunreaktion gegen Laminin wird als wesentlicher Pathomechanismus in der Entwicklung der Glomerulonephritis angesehen. Auch die Bildung hochtitriger Zellkern-Antikörper (ANA) wurde ge­zeigt. Diese sind vorwiegend gegen nukleoläre Antigene gerichtet (Fibrillarin). Antifibrillarin-Antikörper kommen vor allem auch bei der Sklerodermie vor (Tan,1989), die als die, Immunkomplexe, die antinukleoläre Antikörper enthal­ten, werden u.a. in der Niere abgelagert und dürften ebenfalls pathogenetisch bedeutsam für die Immunkomplexne-phritis sein (Hultman, 1988).

 

Genetik: Im Tiermodell wurde aufgezeigt, daß genetische Faktoren sowohl für das Zustandekommen als auch für den Reaktionsmodus der Quecksilberwirkung mitbestimmend sind. Beide Reaktionsarten werden durch MHC-Merkmale der Klasse II gesteuert (Aten,1992). Der Suszeptibilitätstyp wird vererbt. Bei der Nickel-Allergie wurde schon früher die Beteiligung genetischer Faktoren demonstriert. Der Pathomechanismus, der der Nickelsensibilisie-rung zugrunde liegt, ist nach Sinigaglia (1994) die Reaktion spezifischer CD4-Zellen mit körpereigenen Antigenen, die durch Nickel-Bindung in ihrer Antigenität verändert werden ('Neoantigene, Crpytische Peptide'). Die Neoantigene werden durch MHC ll-tragende T-Zellen vom CD4-Helferzelltyp als fremd erkannt und induzieren eine zelluläre Im­munreaktion. CD4-Zellen, die von Patienten mit Nickel-Kontaktdermatitis isoliert wurden, reagierten mit Nickel in As­soziation mit HLA DRw11 (Sinigaglia,1985). Der gleiche Mechanismus, Bindung Hg ll-modifizierter Antigene an MHC-II von T-Zellen wird auch für Quecksilber postuliert (Kubicka-Muranyi,1993).

Die Neoantigen-aktivierten CD4-Zellen können darüberhinaus B-Zellen aktivieren und die Bildung spezifischer Anti­körper induzieren. Im weiteren Ablauf kann die Spezifität gegenüber dem Metall-modifizierten Neoantigen auch auf das körpereigene, natürliche Antigen selbst 'überspringen' und zur Bildung autoreaktiver T-Zellen führen ('Determi-nant Spreading': Griem,1995). Über die Bildung autoreaktiver B-Zellen gleicher Antigenspezifität kann es schließlich zur Bildung von Autoantikörpern und ggf. zur Autoimmunerkrankung kommen.

Der Reaktionsmodus von Gold ist ähnlich, differiert jedoch insofern, als das Metall mit MHC Il-Peptiden selbst (ohne Modifikation eines 'cryptischen Peptids') reagieren und so die Bildung Gold-spezifischer T-Zellen induzieren kann (Sinigaglia,1994). Bei chronischer Berylliumexposition mit typischer Alveolitis wurden Be-spezifische CD4/T-Zellen ausschließlich bei Patienten mit dem MHC II-Typ HLA DPB1 (Subtyp 0201) gefunden, der als genetischer Marker der Berylliumkrankheit gelten kann (Richeldi,1993). Beryllium scheint analog Gold direkt an MHC Il-Peptide zu binden. Auch für Chrom, Silber, Palladium, Platin oder Chrom (Hultman, 1994; Griem,1996) liegen Ergebnisse bei Mäuse-Inzuchtstämmen vor, nach denen die Sensibilisierung nach Metallexposition genetisch über den MHC II-Komplex kontrolliert ist. Während bestimmte Stämme auf Metalle reagieren (High Responder), sind andere Stämme der glei­chen Art nicht oder kaum betroffen (Low Responder]. Bemerkenswert ist, daß die Responder-Stämme für die einzel­nen Metalle (Quecksilber, Nickel, Chrom) nicht identisch sind, d.h. der Reaktionsmodus ist für die einzelnen Metalle bzw. eng verwandte Metallgruppen hochselektiv. Nur bei sehr hohen Metallkonzentrationen können auch unspezifi­sche, polyklonale Immunaktivierungen beobachtet werden.

Reguläre Kontaktallergene lösen bei suszeptiblen Personen nach wiederholtem Hautkontakt Sensibilisierungsreaktio-nen unter Mitwirkung lokaler Langerhanszellen (APZ: Antigen-präsentierende Zellen) aus, die das Antigen inkorporie­ren und Antigenfragmente in regionalen Lymphknoten präsentieren, wo daraufhin die spezifische T-Zellantwort gene­riert wird. Niedermolekulare Substanzen (Haptene) bedürfen dabei der Kopplung an ein Trägermolkül (Carrier), um immunogen zu werden. Quecksilber, Nickel, Gold, Palladium und andere Übergangsmetalle wirken jedoch offen­sichtlich nicht nur konventionell als Haptene mit Carrier-Kopplung, Aufnahme in APZ und anschließender Präsentati­on, sondern auch ohne APZ-Einschaltung durch direkte Interaktion mit dem MHC II-Komplex Metall-reaktiver CD4-Zellen. Im Gegensatz zur Haut verfügen außerdem die Schleimhäute nicht über Langerhanszellen, sodaß zelluläre Immunreaktionen durch Dentalmetallfreisetzung in der Regel nicht zu klassischen Kontaktallergien sondern eher zu systemischen Störungen führen.

CD4-Helferzellen setzen sich aus zwei funktionell unterschiedlichen Populationen zusammen, den sog. Th1- und den Th2-Zellen, die sich durch ihr Zytokin-Sekretionsmuster unterscheiden. Nach dem Kontakt der CD4-Zelle mit dem präsentierten Antigen ist die Ausschüttung dieser Zytokine für den weiteren Verlauf der immunantwort ausschlagge­bend. Th1-Zellen steuern über ihre Zytokine (y-INF, IL 2, TNF) die zelluläre Immunreaktion der Typ IV-Allergie (und Autoimmunreaktion), Th2-Zellen induzieren (IL 4, IL 5, IL 10, IL 13) dagegen die humorale Immunantwort der Typ I-Allergie bzw. die Bildung spezifischer Antikörper vom Typ IgG, IgA oder IgM. Bei Typ Il-Allergie oder Autoimmuner­krankungen sind beide Reaktionsformen beteiligt.

 

ALLERGIEN

Gegen praktisch alle in Dentallegierungen verwendeten Metalle können Allergien vorkommen. An erster Stelle steht Nickel mit 15 - 23% Sensibilisierungsrate in der weiblichen Bevölkerung, gefolgt von Gold (11 % in der weiblichen Bevölkerung), Palladium mit bis zu 8.5% Sensibilisierung in der Gesamtbevölkerung und weiterhin Quecksilber, Kobalt, Chrom, Silber, Aluminium, Gallium, Indium, Titan etc. Während normalerweise Allergien überwiegend dem Soforttyp (Typ I) zuzrechnen sind, sind diese bei Metallen eher die Ausnahme. Nur bei massiver Exposition über die Atemwege sind offensichtlich IgE-vermittelte Typ I-Reaktionsformen möglich. Die meisten Daten über Typ I-Allergien existieren daher bei beruflich exponierten Personen (Review: O'Hollaren,1992). Bei Arbeitern in der Platinindustrie wurde bis zu 14 % beruflich-bedingtes Bronchialasthma diagnostiziert, bei Arbeitern der Aluminiumindustrie in 0.1 - 4 % das sogenannte "Potroom"-Asthma. Auch bei Arbeitern der Kobalt-, Nickel-, Edelstahl-, Chrom- und Vanadiumin­dustrie kommt beruflich-bedingtes Asthma vor. In der Quecksilberverarbeitung wurde gehäuft über Lungenfibrosen berichtet. Bei Metallarbeitern sehr verbreitet ist dagegen das beruflich-bedingte Handekzem (Shah,1996), das eher dem Spättyp (Typ IV) zuzuordnen ist.

Typ I Soforttyp-Aliergie mit Bildung Allergen-spezifischer IgE-Antikörper, die die anaphylaktische Reaktion mit Freisetzung von Mediatoren (Histamin) aus Mastzellen/Basophilen verursachen. Typ III Immunkomplex-Typ der Allergie mit Deposition von Immunkomplexen aus Allergen und Allergen-spezifischem Ak (IgG, IgA oder IgM) auf Zellen (Neutropenie) oder Gefäßen (Vaskulitis). Typ IV Spättyp-Allergie, die ausschließlich über zelluläre (T-Zellen) Mechanismen ohne Beteiligung spezifischer Antikörper vermittelt wird.

 

Typ I-Allergien: Nur wenige Fälle (ca. 50 nach 'American Dental Association Newsletter Jan. 1991') von Typ I-Allergien auf Dentalquecksilber gelten als gesichert. Exanthem, Atemnot, Ödeme und Tachykardie wurden als So­fortreaktionen nach Amalgamfüllung beschrieben. Sofortreaktionen auf Quecksilberverbindungen wurden bisher bei Phenyl-Hg-Verbindungen und vor allem bei Verwendung von Thiomersal erwähnt. Kürzlich wurde Ethyl-Hg als Hauptepitop in Thiomersal identifiziert (Pirker,1993). Allerdings wurden in keinem Fall Hg-spezifische IgE-Antikörper nachgewiesen.

 

Tabelle 2: In der Literatur dokumentierte Typ I-Allergien auf Dentalmetalle

 

Quecksilber

42-94

Kobalt

2

 

(Fälle)

 

 

Palladium

7-17

Chrom

2

Gold

24-27

Kupfer

3

Silber

0-2

Zink

0-2

Nickel

18-32

Zinn, Platin, Molybdän

-

 

nach Hermann etal. (1995) ergänzt.

 

Typ III-Allergien: Während Typ Il-Allergien nach Quecksilber nicht beschrieben sind, kommen Typ Ill-Reaktionen mit Immunkomplexbildung regelmäßig vor. Systemische Reaktionen durch die Bildung Metall-spezifischer Immun­komplexe können bevorzugt zu renalen Komplikationen führen. Bereits 1861 wurde von Kussmaul die Zunahme von Fällen mit Proteinurie, nephrotischem Syndrom und Glomerulonephritis nach chronischer Quecksilberexposition festgestellt. Zahlreiche Berichte über renale Komplikationen nach Quecksilberexposition am Arbeitsplatz, durch Hg-haltige Kosmetika oder Medikamente (Antiluetika, Diuretika, Laxativa) folgten bis heute (Tubbs,1982; Eneström, 1995). Autoantikörper (ANA, Laminin-Ak) kommen gehäuft vor, die Beteiligung Allergen-spezifischer Immunkomple­xe ist unklar. Kürzlich wurde bei industrieller Hg-Exposition das Auftreten zahlreicher Autoimmunreaktionen (Ray­naudsyndrom, Polyarthralgien, Polymyositis, Sklerose und positive ANA im Sinne eines MCTD) berichtet und die Möglichkeit der Auslösung systemischer Autoimmunerkrankungen nach Metallexposition hervorgehoben (Röder, 1992; Griem,1995).

Auch für andere Metalle sind Typ Ill-Allergien beschrieben. Häufig sind Fälle Gold-induzierter fibrosierender Alveolitis ('Goldlunge') oder Glomerulonephritis bei systemischer Rheumatherapie (Costabel,1985; Evans, 1987). In allen Fäl­len ist allerdings eine eindeutige Differenzierung zwischen Allergien vom Immunkomplextyp und Autoimmunerkran­kungen mit Immunkomplexbildung gegenüber körpereigenen Antigenen kaum möglich.

 

Typ IV-Allergien: Die Klinik der Typ IV-Allergie auf Quecksilber umfaßt flüchtige Hautsymptome wie Exanthem, lo­kale orale Läsionen wie Lichen planus, seltener Hautmanifestationen wie Kontaktdermatitis oder kutanen Lichen pla­nus. Kontaktdermatitis kann sowohl nach Inhalation von Hg-Dampf als auch nach Kontakt mit metallischem Queck­silber auftreten. Dies zeigt, daß die dendritischen APZ der Haut (Langerhanszellen) nicht essentiell für die Entwick­lung einer Hg-induzierten Kontaktdermatitis sind. Die Angaben über die Häufigkeit allergischer Reaktionen auf Den­talquecksilber divergieren beträchtlich von unter 1% bis 16%. Luderschmidt (1995) fand kürzlich ca. 9.6% bei männ­lichen und weiblichen Amalgamträgern. Am häufigsten werden orale Läsionen in Nachbarschaft des Implantats an­gegeben, Hautmanifestationen gelten als Ausnahmen. Bei Thiomersal werden bis 10 % positive Epikutanreaktionen genannt, die auf Hg-Verbindungen (Ethyl-Hg) zurückgeführt werden.

Nickel wird wegen der enorm hohen Sensibilisierungsrate - vor allem in der weiblichen Bevölkerung - kaum mehr in Dentalimplantaten verwendet. Typ IV-Reaktionen auf andere Dentalmetalle wie Silber, Zinn, Kupfer oder Zink schei­nen im Gegensatz zum Tiermodell beim Menschen selten vorzukommen. Gold ist jedoch als potentes Allergen be­kannt, das in bis zu 30% aller Fälle bei systemischer Au-Behandlung der rheumatoiden Arthritis zu Kontaktdermatitis führt. Als kostengünstiger Ersatz für Zahngold kommt in den letzten Jahren zunehmend Palladium zum Einsatz, meist in Legierung mit Gold und Silber, wobei der Palladiumanteil bis zu 80% betragen kann (Staehle,1994). Seit­dem nehmen die Mitteilungen über Palladium-Unverträglichkeitsreaktionen rasch zu. In der Normalbevölkerung (ohne Palladiumkontakt) liegt die Sensibilisierungsrate (Patchtest) unter Ekzempatienten bereits bei ca 8% (Todd, 1992), oft kombiniert mit Nickel-Überempfindlichkeit (Aberer,1993). Die steigenden Zahlen sind darauf zurückzufüh­ren, daß Palladium (1) früher nicht getestet wurde und (2) durch KFZ-Katalysatoren (Platin+Palladium) zunehmend in die Umwelt gelangt.

 

Umstrittene Metallwirkungen: Zahlreiche lokale und systemische Symptome und Erkrankungen werden vielfach ebenfalls mit Dentalmetallen, vor allem Quecksilber, in Verbindung gebracht und zum Teil als immunologische Un­verträglichkeitsreaktionen beurteilt. Zu den lokalen Komplikationen zählen Stomatitis aphthosa, Stomatitis ulcerosa, Glossitis, Paradontose. Im Bundesgesundheitsblatt (Zinke,1992) werden unter Verdachtsfällen unerwünschter Wir­kungen durch Amalgame außerdem folgende systemischen Reaktionen aufgeführt: Dermatitis lichenoides, Ekzem, Erythem, Kopfschmerzen, Migräne, Hautjucken, Rhinitis, Bronchitis, Asthma, Dyspnoe, Arrhythmie, Alopezie, Dys­pepsie, vegetative Dystonie, Paraesthesien, erhöhte Infektanfälligkeit, Arthralgien, Myalgien, Konjunktivitis, rheumati­sche Beschwerden, Schlafstörungen, Müdigkeit, Depressionen, Psychose, Gangunsicherheit etc. Darüber hinaus werden jedoch auch ursächliche Beziehungen zum CFS/chronischen Müdigkeitssyndrom (Tibbling, 1995), Fi­bromyalgia, rheumatoider Arthritis, Sklerodermie, Multipler Sklerose (Siblerud,1994) und anderen Autoimmuner­krankungen gesehen (Stejskal,1994). Besonders augenfällig sind die Parallelen in der klinischen Symptomatik von MCS ('Multiple Chemical Sensitvity; Environmental Illness') und der 'Amalgamkrankheit'oder 'Metallkrankheit'.

 

DIAGNOSTIK

Im Gegensatz zu den toxikologischen Verfahren, durch die per se keine klinisch relevanten Erkenntnisse für die gro­ße Mehrheit der belasteten Personen gewonnen werden, ist der Nachweis der spezifischen Sensibilisierung (Typ IV) gegenüber Zahnmetallen klinisch relevant. Er legt die Elimination der aktuellen oder potentiellen gesundheitlichen Gefahrenquelle nahe. Die immuntoxikologischen Verfahren eröffnen damit die Möglichkeit, in der großen Zahl Bela­steter die Minderheit gesundheitlich Betroffener zu erkennen.

 

Epikutantest

Der in der Praxis am meisten verbreitete Test zur Feststellung von Typ IV-Allergien ist der sog. Patchtest oder Epiku­tantest. Der Test hat jedoch mehrere gravierende Einschränkungen: (1) Nicht selten treten unspezifisch positive Re­aktionen als Folge toxischer Hautirritationen, und nicht als Ergebnis spezifischer zellulärer Mechanismen auf. (2) Metalle können ohne Einschaltung Antigen-präsentierender Zellen der Haut (APZ) direkt mit spezifischen T-Zellen über 'Cryptische Peptide' oder den MHC II-Komplex selbst reagieren, sodaß bei unzureichender Präsenz spezifischer T-Zellen in der Haut falsch negative Ergebnisse vorkommen können. (3) Die lokale Allergenaufbringung kann einen Boostereffekt mit Verstärkung der klinischen Symptomatik auslösen oder sogar (4) zur Erstmanifestation einer Kon­taktallergie bei zuvor nicht sensibilisierten Patienten führen. (5) Schließlich können Dentalmetalle auch ohne Auslö­sung Kontakt-typischer Hautreaktionen systemisch immuntoxisch wirken (z.B. Autoimmunreaktionen).

 

LTT/LYMPHOZYTENTRANSFORMATIONSTEST

Der klassische in vitro Test zum Nachweis zellulärer Typ IV-Allergien ist der LTT/Lymphozytentransformationstest, der die Proliferation speziflsch-sensibillsierter T-Zellen {Memory-Zellen) in Gegenwart von Antigen erfaßt. Die Prolife­ration wird über die Einbaurate von radioaktivem Thymidin in die DNS aktivierter Zellen gemessen. Außer der T-Zellproliferation geht auch die Aktivierung spezifischer B-Zellen in die Messung mit ein. Der prozentuale Anteil der B-Zellen im Lymphozytenansatz ist allerdings gering.

Der LTT wurde in den letzten Jahren auch für Metallantigene erfolgreich eingesetzt. Spezifische Memory-Zellen wur­den sowohl bei Patienten mit Sensibilisierung gegenüber Quecksilber als auch bei Palladium, Nickel, Gold, Chrom, Beryllium sowie Kobalt, Zinn, Blei und Silber nachgewiesen. Vergleiche von LTT und Epikutantest für Metalle existie­ren kaum. Einer der wenigen konsequenten Vergleiche von Epikutantest und LTT wurde bei Amalgamträgern mit oralem Lichen planus und verschiedenen systemischen Reaktionen durchgeführt. Er demonstrierte eine ca. 30% hö­here Sensitivität des LTT/Lymphozytentransformationstest (MELISA: Stejskal,1996). Skoglund (1994) fand bei 48 Amalgamträgern mit oralen Läsionen sogar in 60.4% negative Hauttests. Ähnliche Beobachtungen stammen von Mendelow (1985), Everness (1990) und Aro (1993). Aktuelle Daten sprechen dafür, daß der LTT (MELISA) auch für die Verlaufs- und Therapiekontrolle Metall-spezifischer Immunreaktionen geeignet ist (Stejskal, 1996). Eine Modifikation des LTT wurde von Stejskal (1994) als hochempfindlicher, sehr gut reproduzierbarer Screeningtest auf Quecksilber und andere Metalle eingeführt. Dieser sog. MELISA-Test (Memory Lymphocyte Immunostimulation Assay) weist folgende Charakteristika auf: (1) Hohe Zelldichte in vitro zur Optimierung der Testsensitivität; (2) Re­duktion des Monozytenanteils im Kulturansatz durch 2-malige Adhärenz; (3) Morphologische Kontrolle der Blastoge-nese, und (4) Einsatz von Schwermetallen in niedrigen, nicht-toxischen Konzentrationsreihen. Mit dem MELISA-Test wurden in einem mehrjährigen Beobachtungszeitraum eindeutige Nachweise monospezifischer Metallsensibilisierun-gen erbracht (Tibbling, 1995; Stejskal, 1994; 1996). Der LTT in der MELISA-Modifikation stellt derzeit offensichtlich das empfindlichste Verfahren zum Nachweis zellulärer Sensibilisierungen gegenüber Metallen dar. Die Testergebnisse des LTT bzw. MELISA werden als Stimulationsindex (Sl) wiedergegeben, der dem Quotienten aus maximaler Antigen-Stimulierbarkeit der H3-Thymidinelnbaurate und basaler Einbaurate ohne Antigen entspricht.

 

Ein Sl zwischen 2 und 3 wird als fraglich positiv, größer 3 als signifikant bewertet.

 

MATERIAL:

50 (30) ml defibriniertes Vollblut oder Heparinblut

 

UNSERE AKTUELLEN TESTVERSIONEN:

LTTS/Standardversion (50 ml):

Quecksilber-anorganisch, Quecksilber-organisch, Nickel, Kobalt, Gold, Silber, Chrom, Platin, Palladium, Titan, Zinn, Kupfer, Cadmium, Molybdän, Vanadium Quecksilber-anorganisch, Quecksilber-organisch, Silber, Zinn, Kupfer

 

LTTHG/Ama/gfam (30 ml): LTTS2/Metalle (30 ml) LTTS3/Metall speziell (30 ml): LTTF (30 ml):

Nickel, Palladium, Gold, Cadmium, Chrom Aluminium, Indium, Iridium, Gallium, Zink Formaldehyd + Ersatzstoffe (Methacrylate)

 

Die einzelnen Inhaltsstoffe können auch einzeln getestet werden, nach Voranmeldung!!

Rückfragen: Dipl.Biol.W. Meyer: 089-5141070

 

Testbericht : Immuntoxizität

Fragestellung : Unverträglichkeit auf Zahnmetalle, LTTS

 

 

ABBILDUNG 1: LTT bei Überempfindlichkeit gegenüber Nickel, Chrom und Kobalt.

 

Testbericht : Immuntoxizität

Fragestellung : Unverträglichkeit auf Zahnmetalle, LTTS

 

 

 

ABBILDUNG 2: LTT bei Überempfindlichkeit gegenüber anorg. Quecksilber, Thiomersal und Cadmium.

ZYTOKIN-SEKRETION

Eine Modifikation des LTT ist die Analyse der Sekretionskinetik von Zytokinen in vitro. Während Immunreaktionen vom Typ I durch CD4-Zellen gesteuert werden, die bevorzugt die Zytokine Interleukin 4, Interleukin 5, (Interleukin 6, Interleukin 10) und Interleukin 13 sezernieren (sog. Th2-Zellen), werden Typ IV-Reaktionen von T-Zellen mit dem Sekretionsprofil Interleukin 2 (Interleukin 6), γ-lnterferon und β-TNF gelenkt (sog. Th1-Zellen). Nach Inkubation von Patientenlymphozyten mit Antigen kann daher zusätzlich zum Nachweis einer zellulären Aktivierung mit gesteigerter Zytokinfreisetzung anhand des Sekretionsprofils der Zytokine auch der Typ der Sensibilisierungsreaktion: Typ I, Typ IV oder Mischformen (Typ HI-Allergien bzw. Autoimmunreaktionen), festgestellt werden. Dieses Verfahren wurde be­reits mehrfach erfolgreich für die Analyse von Metallsensibilisierungen eingesetzt, u.a. für Nickel, Gold, Palladium, Chrom und Quecksilber. In den meisten Fällen domininierte die Sekretion von γ-lnterferon als Zeichen einer Th1-typischen zellulären Immunantwort bei Metallsensibilisierung. Bei Autoimmunkomplikationen sind allerdings auch Th1/Th2-Mischmuster oder überwiegende Th2-Reaktiosnformen zu beobachten.

In unserem Labor umfaßt das Zytokinsekretionsprofil für Nachweis und Typisierung der spezifischen Sensibilisierung die basale und Antigen-abhängige Sekretion von IL-2, γ-INF, IL-4 und TNF.

 

Material:

20 ml Heparinblut

 

Angabe des zu testenden Antigens (maximal 5 verschiedene pro Test)!!

 

CD69-EXPRESSION

Seit kurzem wird die Expression des frühen Aktivierungsmarkers CD69 auf Lymphozyten als schneller und effektiver Test zur Analyse von Funktionsveränderungen oder zum Nachweis Mitogen- oder Antigen-induzierter spezifischer Lymphozytenaktivierung angewendet. CD69 wird sehr früh nach Antigenkontakt, wesentlich früher als andere Aktivie-rungsmarker auf die Oberfläche proliferierender Zellen exportiert. Das CD69-Molekül wird daher auch als AIM ('Activation Inducer Molecule') bezeichnet. Bereits nach 4-stündiger Inkubation mit Mitogen oder Antigenen kann die Aktivierung einzelner Lymphozytenpopulatlonen durchflußzytometrisch verfolgt werden, wobei der 4h-Expressions-index in der Regel mit dem Proliferationsindex im LTT korreliert (Maino,1995).

im Vergleich zum LTT zeichnet sich die CD69-Expressionsrate durch geringen Zeitaufwand aus. Der Hauptvorteil ist die Möglichkeit der Populations-spezifischen Analyse, wobei mittels Mehrfachmarkierung im Durchflußzytometer T-, B-Zellen (und NK-Zellen) analysiert werden können. Mit der spezifischen CD69-Analyse konnte gezeigt werden (unveröffentlicht), daß bei Patienten mit Nickelallergie der größte Teil der reaktiven Zellen von CD4/T-Lymphozyten gestellt wird, während CD8/T-Zellen und B-Zellen meist schwach reagieren (Abb. 3). Allerdings kommen bei einzel­nen Patienten parallel auch stärkere Reaktionen von B-Zellen vor (Typ Il-Allergien, Autoimmunkomplikationen).

 

Material: 20 ml Heparinblut

 

Angabe des zu testenden Antigens (maximal 3 verschiedene pro Test)!!

 

 

ABBILDUNG 3: Aktivierung von Lymphozylensubpopulationen Nickel-sensitiver Patienten durch Nickel.

 

 

 

LTC4-Releasetest:

Für die seltenen Typ I-Allergien mit Metall-spezifischen IgE-Antikörpern, die mit den klassischen Testverfahren wie RAST sehr schlecht meßbar sind, steht ein neuer Test zu Verfügung: der Basophilen-Aktivierungsassay mit Messung der Allergen-induzierten Freisetzung von Leukotrien LTC4. Dieser hochempfindliche und Typ l-spezifische Test wurde bereits erfolgreich für den Nachweis von IgE-Antikörpern gegen Metalle wie Nickel, Quecksilber oder Chrom und für Umweltschadstoffe eingesetzt. Der Test basiert auf der Induktion und -freisetzung von Leukotrienen in isolierten Blut-basophilen nach Interleukin 3-Vorsensibilisierung und anschließender Allergenexposition. Er erlaubt über die Feststellung spezifischer IgE-Antikörper hinaus auch ein Urteil über deren klinische Relevanz mit der Kapazität der anaphylaktischen Sofortreaktion.

 

Material: 10 - 20 ml ACD-Blut oder EDTA-Blut (Heparinblut ist nicht geeignet!!)

Testvarianten wie beim LTT:

LTC4S/Standardversion; LTC4HG/Amalgamversion; LCT4S2/Metalle, LTC4S3/Spezialversion LTC4F/Formaldehyd + Ersatzstoffe oder Einzelbestimmungen nach Voranmeldung II

Literatur beim Verfasser: Priv.Doz.Dr.med.habil.W.P.Bieger. Medizinisch-Immunologische Laboratorien. Mittererstr.3. 80336 München

Priv.Doz.Dr.med. W.P.Bieger Medizinisch Immunologische Laboratorien, Mittererstraße 3, 80366 München

Prof.Dr.med.R.von Baehr Gesellschaft für Angewandte Immunologie, Elisenstraße 8. 80336 München

 

Medizinisch Immunologische Laboratorien, Priv.Doz.Dr.med.W.P.Bieger: Telefon: 089-54308-0 Gesellschaft für Angewandte Immunologie, Prof.Dr.med.R. von Baehr: Telefon: 089-592725

Immunologie 118-02-1996