Algen gefährlicher Firlefanz schadet bei ADHS und krebserregend

Vorsicht Quacksalberei!

 

AFA-ALGE NICHT Bei HYPERAKTIVITÄT (ADHS)!

Frage:

Ein Patient von mir, fünf Jahre alt, ist unruhig bis hyperaktiv und die Mutter behandelt ihn mit der AFA-Alge. Seitdem sei er ruhiger geworden und sei – und dies bestätigt auch der Kindergarten – besser zu "führen". Nun habe ich gehört, dass die Einnahme der Alge aus neurologischen Gründen gar nicht so risikolos sein soll, wie die Firma vorgibt... Können Sie mir weiterhelfen?

Antwort:

A. RÖMHILD (Kinderarzt)

D-22765 Hamburg

Interessenkonflikt: Keiner

 

Die aus dem Klamath Lake (Oregon, USA) geerntete Blaualge (oder Blaugrünalge) Aphanizomenon flos-aquae (AFA-Alge) wird als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Die den Algen zugeschriebenen Effekte sind abstrus. So sollen darin enthaltene Polypeptide Umweltgifte binden und sogar aus dem Gehirn abtransportieren (1). Die Algen sollen bei Depressionen, Schlafstörungen, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) u.a. helfen (2). Sobald jedoch arzneiliche Indikationen beansprucht werden, ist eine Zulassung als Arzneimittel erforderlich und das Produkt ohne diese nicht verkehrsfähig. Für die behaupteten medizinischen Wirkungen gibt es "keinerlei wissenschaftliche Belege" (2). Die Verwendung von AFA-Algen bei ADHS "ist Quacksalberei" (3).

 

Dem nicht belegten Nutzen stehen Sicherheitsbedenken entgegen. Die Versprechungen können Verbraucher verleiten, notwendige und wirksame Therapien abzubrechen und statt dessen AFA-Produkte zu verwenden (2). Außerdem bildet eine Vielzahl von Algenspezies Toxine. Nach einer Untersuchung der Gesundheitsbehörde von Oregon von 1996 enthielten 85 von 87 Proben Mikrozystine*, die aus einer mit der AFA-Alge koexistierenden Algenspezies stammen. Mikrozystine gelten als kanzerogen, hepatotoxisch und schädlich für das Nervensystem. Bei 63 (72%) der untersuchten Proben wurden die zulässigen Höchstgrenzen überschritten (1,4). Die Bluegreen GmbH, deutsche Vertriebsfirma von AFA-Algen-Produkten, behauptet, dass seither "alle Erntechargen gefiltert und in unabhängigen Laboren auf mögliche Rückstände von Mikrozystin ... kontrolliert" würden (5). Durch "Filtern" dürften sich toxische Bestandteile allerdings nicht abtrennen lassen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte verweist darauf, dass auch weitere Untersuchungen in den Folgejahren "offenbar ausnahmslos" einen hohen, den Grenzwert der WHO überschreitenden Mikrozystingehalt ergeben haben sollen (1). Achtung: Vergiftungssymptome wie Übelkeit, Durchfall, Kopfschmerzen u.a. werden bisweilen irreführend als "reinigende Wirkung" bezeichnet.1 Kinder sollen AFA-Algenprodukte grundsätzlich nicht verzehren (2,6). Auch Erwachsenen ist von den Produkten abzuraten.

 

1

 BfArM: Schreiben vom 29. Jan. 2002

 

2

 Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin: Pressedienst 8/2002 vom 21. März 2002 http://www.bgvv.de/presse/2002/pr_02_08.htm

 

3

 Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker: Pharm. Ztg. 2002; 147: 6

 

4

 GILROY, D.J. et al.: Environ. Health Perspect. 2000; 108: 435-9

 

5

 Pharm. Ztg. 2002; 147: 559

 

6

 Health Canada: Information - blue-green algae, Mai 1999 http://www.hc-sc.gc.ca/english/protection/warnings/1999/9969ebk.htm

 

*

 Mikrozystin = toxisches Polypeptid, das zuerst bei der Blaugrünalge Microcystis aeruginosa beschrieben wurde.

 

 

Quelle: http://www.arznei-telegramm.de/zeit/0204_a.php3